PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
Szene
belebte sich. Musikanten, Sklavinnen, Vorschneider, Mundschenke,
Sänger und Tänzer kamen. Rasselnd fuhren Wagen herbei, in
denen Heerführer saßen. Es sollte ein intimes Gastmahl
werden - nur dreißig Gäste wurden erwartet. Niemand würde
es wagen femzubleiben, es sei denn, er habe zwischenzeitlich einen
Speer in die Brust bekommen.
Während wir stehend warteten, betrachtete ich Encheduana. Sie
war jünger als Kar-shattar, aber sie konnte auf ihre Art mit der
jungen Frau konkurrieren.
„ ... lädt Sharrukin, der legitime König, der
Geliebte der Ishtar und Freund von Schamasch, Löwe von Akkad,
König der Städte Kish und Akkade, König des Landes und
Herrscher aller vier Weltteile, euch zu einem Gastmahl. Es ist das
Mahl zu Ehren Attalan-shars,
Baumeisters der Perle der Städte...” rief der Oberste
Mundschenk. Mir war, als träfe mich eine Keule zwischen die
Schulterblätter. Ich sah mich verwirrt nach Sharrukin um. Er
grinste.
Er ist kein Akkader, du Narr. Er ist ein Androide und will dich
umgarnen! Merkst du es nicht? fragte der Logiksektor.
Tatsächlich! Ich hatte es vergessen! Ich lächelte zurück
und sah, daß sich die Blicke aller achtundzwanzig anderen Gäste
auf mich konzentrierten. Noch standen wir; Sharrukin hatte sich noch
nicht gesetzt.
„Die Ehre macht mich sprachlos. Ich bin nur ein Baumeister,
Herrscher!" sagte ich und senkte den Kopf.
Kar-shattar musterte mich mit einem langen Blick. Die Bedienenden
reichten uns schwere Pokale aus Glas, einer schweren, durchsichtigen
Substanz. Sie mußte erst vor kurzem erfunden worden sein, denn
die Ausführung war noch plump.
Sharrukin hob das Glas und rief:
„Ich kenne die Zeichnungen. Ich sah das Modell der Stadt
Akkade! Dort, im Geschoß des Sommerhauses steht es. Ich sah
heute die Anlage der Stadt.
Der Glanz Akkades wird heller leuchten als die Sonne.
Attalan-shar, ich kenne ihn nicht lange, aber du bist der
würdigste Freund, den ich je hatte."
Ich hörte es gern, denn es stärkte meinen Einfluß.
Gleichzeitig war es eine tödliche Gefahr. Ich hob das Glas und
erwiderte:
„Zuviel Lob macht übermütig. Zuviel Lob für
den einzelnen schafft Neid bei vielen anderen. Was ich tat und plane,
war und wird sein, weil andere dir und also mir helfen, Sharrukin!
Ohne Heerführer keine Siege, ohne Siege keine Arbeiter für
die Stadt, ohne
fremde Städte nicht einmal die Gespanne für den
Bruchstein. Nur ein kleiner Teil des Lobes ist für mich, den
Rest gebe ich an die Männer weiter, die hier versammelt sind.
Und an andere." Und mit einem aufflackemden Übermut setzte
ich hinzu:
„Sei so klug, Sharrukin, wie deine Tochter reizvoll ist,
trotz ihrer Jugend."
Ich sah ihn über den Rand des Glases an, das mit schwerem
Rotwein gefüllt war. Ein triumphierendes Aufblitzen zeigte mir,
daß er wieder bestimmte Pläne verfolgte. Er trank den
ersten Schluck, dann vollzogen wir das Schüttopfer für
Ishtar (eine andere Ishtar als die Trägerin dieses Namens, an
die ich eine unklare Erinnerung aus meiner Jugend hatte - sie reichte
Äonen kosmischer Zeiträume zurück!) und setzten uns.
„Jeder Mann lügt, wenn er spricht!" sagte die
Tochter Sharrukins, kaum daß wir auf den prunkvollen Hockern
Platz genommen hatten.
„Du kennst mich nicht und weißt, wie ich bin?"
„Würde ich dich besser kennen, wer weiß, was ich
reden würde?" gab ich zurück und trank den zweiten
Schluck. Uns umkreisten die Sklavinnen wie kosmische Trümmer
einen Planeten. Ununterbrochen legten sie große, langfaserige
Scheiben von Bärenschinken, Hirschbraten oder panierten
Affenlenden auf die Holzbretter. Wir aßen mit Dolch und
Fingern. Vorsichtiges Gelächter quittierte meine Bemerkung.
Sharrukin stimmte ein unmäßig dröhnendes Lachen an.
Er schien sich zu freuen.
„Die Wahrheit, hoffe ich!"
Sharrukins Tochter, die Tochter einer semitisch-sumerischen Frau
und eines zeugungsfähigen Androiden aus dem Arsenal der
Wanderer, war groß, schlank und schön. Ihr längliches
Gesicht war nicht dunkel, sondern von einer leuchtenden braunen
Färbung. Silberkömer auf ihren Lidern unterstrichen die
Mandelform der dunklen Augen. Ihr Haar war über den Ohren
aufgesteckt und fiel in zwei schweren Flechten auf die Schultern,
durchwirkt mit Perlen und silbernen Kügelchen. Ihr Mund war wie
ein aufgebrochener Granatapfel.
„Die Wahrheit schmeckt immer ein wenig nach Gift!"
sagte ich und biß in eine Melonenscheibe. Der klebrige gelbe
Saft rann über mein Kinn. Eine Sklavin ließ
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