PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
ritten wir an den bewegungslosen Körper heran. Sherengi
bewegte sich, schüttelte sich das hellrote Blut von den Lefzen
und legte sich neben den Leichnam.
Ich deutete in die Richtung, aus der Sherengi gekommen war.
»Zurück zu Derione. Beim nächsten Wasser das Fell
reinigen.«
Sie nickte mit dem kantigen Schädel und sprang auf die Beine.
Sie stieß ein heiseres Röcheln aus und lief dann in
schlenkerndem Trab hinaus auf den schmalen Weg, sah sich noch einmal
um und wurde schneller. Der lange Schwanz federte, als sie hinter den
Halmen und dem hochgeschossenen Unkraut am Wegrand verschwand.
Ranthys sah mich lange an.
»Ich kann nichts daran ändern«, sagte er leise,
sprang zu Boden und ging, das Tier am langen Zügel, auf diesen
blutenden Zwitterkörper zu.
»Woran kannst du nichts ändern?« murmelte ich und
ritt näher heran. Mein Hengst scheute kurz, aber ich zwang ihn
weiter.
»Daran, daß ich mich als Vollstrecker fühle. Ich
denke daran, was sein würde, wenn ich die Welt betrete, die ihre
Heimat war.«
»Dann«, unterbrach ich ihn hart, »würdest
du schwerlich die weiblichen Angehörigen schänden und
töten. Und du würdest dich auch nicht zum Werkzeug
verrückter Androiden machen und herrschen und versklaven
wollen.«
Er stand wie betäubt da und starrte auf das Blut, das von den
Löwinnenklauen zerfetzte Fell und den unverkennbar weiblichen
Oberkörper nieder. Der Kopf mit dem langen, verfilzten Haar lag
in einem merkwürdigen Winkel auf dem Boden. Überall war
Blut.
»Vielleicht kenne ich die Antwort morgen«, sagte er
leise. »Aber heute weiß ich sie nicht. Ich fühle
mich beschmutzt, schuldig, würdelos.«
»Ich fühle mich ebenso«, entgegnete ich. »Die
Hirnschale der jungen Sklavin gab dasselbe Geräusch von sich,
als der Stier sie tötete. Komm, wir müssen weiter. Derione
wartet.«
Wir hatten nichts anderes getan, als unseren Auftrag zum Teil
erfüllt. Aber die Rechtfertigung vor unserem eigenen Gewissen
ging schwerer vor sich als der eigentliche Kampf. Wir scheuten keinen
Kampf gegen einen echten Gegner, der sich uns stellte. Aber
wenigstens ich erkannte, daß ein Werkzeug von ES in der Lage
sein mußte, sein eigenes Gewissen vorübergehend zu
vergessen. Wir waren die Wächter des Planeten, die Hüter
der Menschheit.
Auch die Richter und Henker in einer Person? fragte zynisch der
Extrasinn.
Zwischen kantigen Steinen brannte ein kleines Feuer. Die Pferde
waren versorgt und grasten, ihre Vorderbeine waren mit dem Zügel
so eng gefesselt, daß sie sich bewegen, aber keine größere
Strecke fortlaufen konnten. Wir hatten Brot, Braten, gesalzenen Fisch
und Früchte gegessen und mischten Wein mit Quellwasser. Die
Nacht war warm, wir fühlten uns sicher.
»Möchtest du sprechen?« fragte Ranthys. Ich hielt
die Flöte aus verschieden langen Holzstücken in den Fingern
und den Bronzebecher zwischen den hochgezogenen Knien.
»Ja, immer. Worüber in diesem Fall?«
Ȇber das, was hier geschieht. Augenblicke und Jahre,
aus denen einmal Geschichte wird, wenn ich längst zu Staub
geworden bin.«
»Viele Dinge geschehen. Einige würden nicht geschehen,
gäbe es uns nicht«, antwortete ich und trank einen
Schluck. Dann setzte ich die Flöte wieder an die Lippen und
probierte eine einfache Melodie aus.
»Kefti wird eine eigene Kultur hervorbringen. Das, was im
Ansatz vorhanden war, verbesserte und veränderte Aison. Wir
verbesserten es abermals und sparten für die Zukunft viele
Arbeiten ein. Und aus Aison und uns werden Götter werden,
mächtige Fürsten, Halbgötzen, die Wunder wirkten und
den Unwissenden das göttliche Licht der Erkenntnis brachten.«
Ich hatte ihn niemals unterschätzt, meinen kurz angebundenen
Freund. Noch weniger die Tiefe seiner Erkenntnisfähigkeit. Wir
waren müde und nicht mehr ganz nüchtern. Der Wein war dick
wie Erdpech und ebenso gefährlich. Eine lähmende Müdigkeit
des Körpers ging mit äußerster Klarheit und
Hellsichtigkeit des Verstands einher.
»Du hast vollkommen recht!« murmelte ich und nahm die
Melodie wieder auf. Ich erwartete, daß zwischen den Baumstämmen
tanzende Mädchen auftauchen und uns liebkosen würden. Die
Sterne schienen mir zuzublinzeln.
»Namen werden sich verändern. Taten werden
ausgeschmückt. Aber aus den Khent'our und aus H'arpeji werden
Gestalten der Mythologie. Und auch die sagenhaften Gründer
Keftis werden zu Göttern, himmlischen Fürsten und solchen
Gestalten, deren Gesichter und Körper man in den
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