PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
kam
heraus und senkte den Bogen, als sie uns erkannte.
»Leise sprechen. Keine Namen!« zischte ich und
beruhigte das aufgeregte Tier. »Laamia? Noch hier?«
Derione war mehr als erleichtert, uns zu sehen. Ihre Finger
zitterten, so aufgeregt war sie.
»Sherengi bewacht Laamia. Du hast gemacht, daß die
Löwin mir gehorcht. Nur einmal raste sie fort, aber sie kam in
der Nacht wieder zurück.«
Wir hatten wenig geschlafen, schlecht gegessen und unsere Körper
vernachlässigt. Wir brauchten Ruhe und Zeit für uns.
Ranthys kratzte sich hingebungsvoll unter den Achseln und erklärte:
»Sie benutzte diesen Ausflug, um Atlantos zu helfen, die
Khent'our auszurotten.«
Derione starrte uns wie Götter oder Übermenschen an. Wir
führten die Pferde in die seitliche Abzweigung der Haupthöhle,
banden sie fest und versorgten sie zu allererst. Dann wandte ich mich
lächelnd an Derione und bat leise:
»Sicher ist, daß wir zwei oder mehr Tage hier bleiben.
Bitte, koche uns etwas, das nicht nur den Magen erfreut. Und dann
werden wir mit Laamia sprechen, der Göttin der schwarzen
Stiere.«
»Sie hat immer versucht, mit mir zu reden, hat unzählige
Fragen gestellt, aber niemals bekam sie Antwort. Ich habe sie nicht
geschlagen!« versicherte Derione stolz.
»Recht so!« pflichtete ich bei. »Wir sind
schließlich keine Barbaren!«
»Nein?« fragte Ranthys aus dem Hintergrund der Höhle.
Es war eine rethorische Frage. Wir verschwendeten das kostbare
Wasser, um uns flüchtig zu reinigen, dann aßen wir,
schließlich brachte Derione unserer Gefangenen die Reste.
Langsam standen Ranthys und ich auf, zündeten zwei Fackeln an
und gingen dorthin, wo der gefesselte Flüchtling von Wanderer
auf Fellen und Laub kauerte und uns entgegenstarrte. Für einen
Augenblick bewunderte ich Laamia; trotz ihrer Lage hatte sie zwar
Gewicht und gutes Aussehen verloren, aber nicht ein bißchen von
ihrer kalten und unmenschlichen Arroganz.
Die ersten Worte aber würden sie halbwegs vernichten.
Immer wieder sah ich zwei Bilderfolgen vor mir: wie Laamia sich in
einer gleitenden Bewegung voller eiskalter Ruhe erhob, ausholte und
ihren Handrücken in das verwirrte und erschrockene Gesicht des
Madchens schmetterte - und den schweißnassen Körper voller
Schrammen und Blut, der von dem aufblitzenden Doppelhorn des tobenden
Stieres aus dem Sand emporgehoben und in dreifachem Überschlag
auf die Steinbrüstung geschleudert wurde, wo Knochen, Wirbel und
Schädeldecke platzten wie halbgebrannter Ton. Die Rinnsale des
Blutes vermischten sich mit dem knisternden Zucken des Fackellichtes
und den Reflexen an den verwitterten Felsen im Karst der Inselberge.
Laamia starrte mich an wie einen Geist.
Ungläubig flüsterte sie:
»Ich kenne dich. Du hast Bronze geschmolzen, verlorene
Formen aus Bienenwachs geformt und Zeichnungen entworfen.«
Auch ihre Stimme hatte nichts von der herrschsüchtigen Kühle
verloren. Ich blickte die schone Frau an und hörte die Fesseln
klirren. Ich wartete. Dann erklärte ich ausdruckslos und ohne
Triumph:
»Du bist ein potentiell unsterblicher weiblicher Androide
vom Kunstplaneten Wanderer. ES, dein Herr, merkte eure Flucht zu
spät. Aber er bemerkte eure Ankunft nach langer Irrfahrt und
vielen Landungen hier auf Kefti. Er sah auch die Helfer, die ihr
mitgebracht habt.«
Es war immer dasselbe; jener Prozeß der Erkenntnis, die
gleichzeitig ein vorweggenommenes Todesurteil war. Überlegenheit,
dann Verwunderung und Unglauben, schließlich die vernichtende
Erkenntnis, daß dies die Wahrheit war. Ich sah alle jene
Zeichen und die wechselnden Schattierungen des Ausdrucks auf dem
schmalen Gesicht.
»Wer. wer bist du?«
Ich winkte ab und sprach erbarmungslos weiter.
»Wir kennen alle vier Gruppen. Loe H'arpeji ist mit
zerschmettertem Schädel am Strand verscharrt. In der Ebene von
Knossos liegen die zwei Khent'our. Die anderen haben wir noch nicht
umgebracht. Aison läßt dich durch Millionen Augen suchen.
Was sollte uns hindern, dich zu töten?«
Sie schwieg. Zitterte sie, oder klirrten die Ketten aus einem
anderen Grund? Wir standen da und hielten die Fackeln. Schließlich
erklärte ich knapp:
»Wir sind die Wächter des Planeten. ES befahl uns, euch
alle zu töten. Bisher beschränkten wir unseren Kampf auf
die Planetarier, weil wir sehen, was ihr für die Kultur der
herrlichen Insel getan habt.«
Hinter mir sagte Ranthys mit einer Stimme, die ich kaum erkannte:
»Zwecklos, dich zu verteidigen. Wir kennen alle Argumente.
Das
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