PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
»Wir
landeten an der nordwestlichen Küste. Wir hatten Bronze bei uns
und tauschten sie ein. Das Schiff ist auf den Klippen zerbrochen.«
Dann fragte ich:
»Woher, wenn du erlaubst, Inyx, kommen eure Freunde im
Gewand der Vögel? Und die Pferdemenschen, und jene tödlichen
Vögel, die mit ihren Federn wie Bogenschützen hantieren? In
unserem Fürstentum, jenseits des Meeres, kennen wir solche Tiere
oder Götzen nicht.«
Inyx vollführte eine komplizierte Geste. Ihre langen Finger
umfaßten die Anlage des Palasts und das gut bearbeitete Land
rundum. Überall wurde wieder gearbeitet.
»Wir brachten unsere Freunde mit. Sie sind uns nützlich,
denn wir wollen zu Herrschern über die Insel werden. Wir
versuchen, diesen Barbaren die Kultur zu bringen. Das geht nur mit
Druck, mit Macht und Nachdruck.«
»Wir hatten dasselbe Problem, ehe wir verjagt wurden!«
sagte ich. »Zwei eurer Freunde kommen bereits. Dort.«
Niemand hatte uns gesehen. Hoffentlich. Wir mußten
allerdings von der Tatsache ausgehen, daß die Stimvaleed die
Intelligenz von Hunden besaßen - aber die Gefährlichkeit
von Drachen, die mit Haifischen gekreuzt waren. Noch wußten wir
nichts darüber, wieviel Einfluß Aison und Inyx auf ihre
»Freunde« hatten.
»Ja, es sind die H'arpeji. Die treuesten Freunde, und die
gefährlichsten.«
Wir nickten. Aison und Inyx beobachteten uns ganz genau. Wir
blieben gelassen und tranken Milch, eiskalt und mit gemahlenen und
gerösteten Nüssen gewürzt. Die H'arpeji näherten
sich schnell und in großer Höhe. Erst im letzten
Augenblick verwandelte sich ihre
Flugbahn in einen Sturz, und wieder heulte die Luft zwischen den
harten Federn. Sie fielen wie virtuos landende Geier auf der Terrasse
ein und sprangen weitaus unbeholfener näher, als wir gedacht
hatten. Gräßliche Wesen, durch ihre Ähnlichkeit mit
Menschen besonders widerlich.
»Laa H'arpeji!« sagte Inyx mit klirrender Stimme. »Wo
sind die Stimvaleed?«
Das deutlich erkennbare Weibchen sprang näher heran. Aison
winkte, und ein paar Sklaven liefen ins Innere des Gebäudes.
Vermutlich holten sie Fleisch für die exotischen Wesen.
»Sie kommen entlang der Küste. Sie werden bald über
Katsambas erscheinen. Wir sahen sie jagen.«
Die Stimme des Weibchens war schärfer und heller als die des
Mädchens, das wir getötet hatten. Mit unverhohlenem
Mißtrauen starrten uns die kalten Augen der zwei Fabelwesen an.
»Wer sind diese Männer?« wollte Lie H'arpeji
wissen. Er besaß eine knarrende, mißtönende Stimme
und schüttelte sich unbehaglich. Die Federn erzeugten
metallische Geräusche.
»Die Stimvaleed haben die Khent'our überfallen und
getötet. Furchtbare Wunden, sagte man uns. Und die Körper
waren zerfetzt und aufgerissen. Sind die Stimvaleed wahnsinnig
geworden?« murmelte Aison. Was seine Freunde betraf, so war er
voller einander widerstrebender Empfindungen.
»Wer hat gesagt, daß die Stimvaleed dies getan haben?«
Die Sprache der Inselbewohner war klar zu verstehen, aber die
Sprachorgane der Halbvögel verzerrten sie.
»Ich!« sagte ich und hob die Hand.
»Wer bist du?« wollte Laa sofort wissen. Die Stacheln
entlang des Nackenbugs stellten sich herausfordernd auf.
»Atlantos und Ranthys, Fürsten des nördlichen
Festlands.«
»Ihr kamt mit einem Schiff?«
Ranthys lächelte selbstbewußt und erwiderte laut:
»Ihr seid die Herrscher der Lüfte, H'arpeji. Ihr hättet
sehen müssen, wie wir acht landeten, wie das Schiff zerschellte,
und daß noch heute Trümmer und Segelfetzen dort liegen.
Wir kamen arm an, nur unsere Waffen und einige Bronzebarren brachten
wir.«
Schweigend musterten die Menschenvögel uns. Sie schienen uns
nicht zu glauben, aber jetzt sagte Lie H'arpeji deutlich:
»Es ist möglich, daß die Stimvaleed dies getan
haben. Sie sind unberechenbar. Aber ich kann es nicht glauben. Sie
haben weder dich, Aison, noch dich, Inyx, uns nicht und auch
niemanden sonst jemals angegriffen!«
Die Stimme des Männchens war haßerfüllt. Er
glaubte uns keine Silbe. Seine Krallen scharrten wie blanke Messer
über den Boden. Auch
Laa bewegte sich unruhig. Natürlich wußten sie, daß
sie uns das Gegenteil nicht beweisen konnten. Aber sie rechneten auch
damit, daß wir ebenso arglos und dumm waren wie die meisten
anderen Barbaren. Unsere wahre Natur konnten sie niemals erraten. Es
sprach jedoch für ihren scharf entwickelten Instinkt, daß
sie uns nichts oder nicht alles glaubten.
»Warum nennt ihr uns Lügner?« fragte ich ruhig.
»Und
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