PR TB 165 Nomaden Des Meeres
Bäumen erhob sich ein
erstaunliches Bauwerk.
Gerth rammte voller Verblüffung seinen Dreizack tief in den
Rasen.
»Ich bin überwältigt!« gestand er flüsternd.
Eine rechteckige Basis aus wuchtigen Quadern war gemauert und
zusammengefügt worden. An drei Seiten erhoben sich leicht
konisch zulaufende, schlanke Säulen, etwa dreimal mannshoch. Sie
bestanden aus dunklem Granit. Fuhrwerke und Sklaven hatten Tage
gebraucht, um diesen Baustoff hierher zu schleppen. Ich begann zu
zählen. Insgesamt dreißig dieser Stelen, die dicht
unterhalb der Dachbalken breite Bänder aus Gold oder Elektrum
trugen.
»Ein Tempel der Baalat?« fragte leise Asyrta. Eine
düstere Beklemmung ging von diesem symmetrischen Bauwerk aus.
Langsam tappten wir einen Weg aus winzigen weißen Kieselsteinen
entlang, der zu zwei schmalen, aber ebenso mindestens zehn Ellen
hohen Portalen führte. Auch dieser Kies stammte von weither.
Unsere Schritte erzeugten auffallende Laute. An beiden Seiten des
Weges erhoben sich rechteckig gemeißelte Pylonen, doppelt
mannshoch, jeweils zwanzig Stück.
»Das werden wir sehen, wenn wir im Innern sind. Vielleicht
ist es Baalat, vielleicht eine andere Gottheit.«
War Marsam ein religiöser Eiferer? Die Meisterschaft der
Bearbeitung zeigte, daß hier gute Handwerker am Werk gewesen
waren. Unsere Bewegungen wurden unfreiwillig zögernder und
langsamer. Auch die Balken und die Wände hinter den Säulen
waren schwarz, dunkelgrau oder düster. Der ganze Tempel strahlte
eine ungute Stimmung aus. Sicherlich wurde hier kein heiterer Gott
verehrt. Ich spürte, wie sich Asyrta an mich drängte. Sie
war zutiefst beunruhigt.
Die arbeitenden Sklaven und Sklavinnen warfen furchtsame Blicke in
unsere Richtung. In den Bäumen ringsum sang kein Vogel, nicht
einmal Grillen waren im Gras. Die Balken und das übrige Holzwerk
strömten einen stechenden Geruch nach Zedernöl aus. Wir
stiegen die sieben Stufen hinauf und packten die Griffe der Portale.
Leise schwangen sie nach innen auf. Wir blieben stehen; die Torangeln
waren versetzt angebracht, so daß die Portale lautlos von
selbst sich schlossen. Ein fast völlig dunkler Innenraum empfing
uns. Es roch unbeschreiblich: Zedernöl, Balsam, Myrrhe und eine
Vielzahl verbrannter Duftstoffe oder Pflanzen. Von einem runden
Fenster in der rechten Wand ausgehend, durchquerte ein Bündel
Sonnenstrahlen die Breite des Raumes und traf genau auf den
Oberkörper einer Statue.
Gerth flüsterte beklommen:
»Das ist kein Tempel. Mir erscheint es wie eine Folterkammer
des Geistes.«
Wir befanden uns in einer Zone, die das Echo unserer Worte brach,
umleitete, hin und her warf und verhallen ließ. Aus Gerths
Flüstern wurde ein hallendes, pfeifendes Zischen, das unsere
Nerven folterte. Wir machten einige Schritte vorwärts. Tausend
harte Geräusche klapperten und prasselten zwischen den schwarz
schimmernden Wänden. Wir erschraken, unsere Hände fuhren zu
den Ohren und hielten sie zu. Ich wagte zu erwidern:
»Mit solchen Mitteln scheint Marsam zu herrschen. Ich
glaube, die Nomaden hätten einen anderen Ort überfallen und
dort den Tempel anzünden sollen.«
Ein chaotisches Klangerlebnis war die Folge. Meine Worte und die
vervielfältigten und verzerrten Schrittgeräusche erfüllten
den Tempel mit einem infernalischen Lärm. Einige Mannslängen
vor den verschieden hohen Sockeln und Podesten blieben wir stehen.
Die Statue zeigte eine Frau. Sie bestand aus Stein, vermutlich auch
aus poliertem Granit oder aus Porphyr. Hüften und Brüste
waren überbetont, die Arme waren an den Leib gepreßt, die
Unterarme streckten sich nach vorn. In einer Hand hielt die
unbekannte Göttin den stilisierten Körper eines Kindes,
ihre Finger drückten den Hals zu. Die andere Hand hielt eine
Peitsche mit mehreren Schnüren, die bis zum Boden vor unseren
Füßen herunterhingen und geknotet waren. Das Gesicht mit
wenig menschenähnlichen Zügen blieb starr, aber der
Ausdruck zeigte erbarmungslosen Haß, rasende Gier und schiere
Bösartigkeit. Durch das Sonnenlicht, das voll auf Oberkörper,
Hals und Kopf fiel, wurde die unbarmherzige Schärfe dieses
Götzenbildes noch betont. Nur ein kranker Geist konnte ein
solches Bildwerk aufstellen. Ich drehte mich langsam um.
Sieh hinauf! Diese Anordnung! sagte der Logiksektor.
Nur unmittelbar vor dem Götzenbild war zu erkennen, daß
es mindestens drei Dutzend solcher Öffnungen in den Wänden
und der Decke gab. Sie waren zylindrisch und ziemlich lang, so daß
das Sonnenlicht
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