PR TB 177 Kämpfer Fur Den Pharao
die Nacht.
Dann wieder das Geschrei, als alle Versammelten den Refrain sangen
und dazu die Musiker ihre Instrumente mißhandelten. Meine
Finger wurden langsam wund von den Darmsaiten der Harfe. Inzwischen
war ich schätzungsweise bei der dreiunddreißigsten Strophe
angelangt.
„ Wir wär'n so gern an Land geschwommen - _ jedoch auch
damals ist der Mut uns nicht zerronnen...!." schrien die Gäste.
Ich schaffte es noch, ein paar Namen unterzubringen, persiflierte
abermals den ursprünglichen Text, erfand während des
Singens noch einige verblüffende Augenblicks-Varianten und
änderte dann, mit besonders hoher Stimme kreischend, auch die
zweite Zeile des Refrains. Dann übergab ich die Harfe an eine
Flötistin, stand auf und riß mit einer Bewegung die Binde
vom Auge und die Perücke vom Kopf.
Atlan als Choristin am Hof des Pharao! Wenn ES das erfährt,
spottete der Extrasinn.
„ES sieht alles”, murmelte ich. Jetzt erkannte auch
der letzte Gast meine Identität. Ich griff nach irgendeinem
Becher und löschte meinen Durst. In meiner Kehle schien es zu
zischen. Ne-Tefnacht stand plötzlich auf, schaute mich völlig
verwirrt an und warf dann die Arme um meinen Hals, preßte sich
an mich und streichelte meinen schwitzenden Rücken. Auch damals
ist der Mut uns nicht zerronnen, schrien die Gäste begeistert.
Der Nubier kam kopfschüttelnd auf mich zu, hielt mich auf
Armeslänge von sich weg und sagte voller echter Bewunderung:
„Atlan-Horus! Du hättest eine Pyramide bauen können,
aber dann würde ich dich nicht so bewundert haben wie nach
diesem herrlichen Unsinn! Ich glaube, ich kenne dich jetzt besser!”
Ich schlug ihm die Faust gegen den Oberarm und krächzte,
während sich das Mädchen in meinen Arm schmiegte:
„Ich habe nicht vor, mit dieser Truppe öfters
aufzutreten. Aber ich habe heute nacht einen Kampf gegen mich selbst
geführt.”
Mit einer fast richterlichen Gebärde deutete der Nubier auf
Ne-Tefnacht und sagte so leise, daß nur wir drei und Ptah-Sokar
es hören konnten:
„Sie hat dir gezeigt, daß auch wir es nun wissen: du
hast gewonnen!”
„Danke euch”, murmelte ich und goß abermals Bier
in meinen wunden Schlund. „Und wenn die Gäste nun gehen
würden, langsam, versteht sich, würden sie sich meine
Freundschaft ewiglich erhalten.”
„So steht es geschrieben. So soll es geschehen!”
murmelte der Truppenführer.
Etwa eine Stunde später waren die meisten Gäste
gegangen. Jene, die im Haus blieben und betrunken wa
ren, schliefen bereits. In der Halle hatten sich einige von uns zu
einer kleinen Gruppe zusammengefunden. Eine kleine Trommel wurde
geschlagen, eine einsame Flöte trillerte traurig vor sich hin,
der Harfner zupfte mit Meisterschaft seine Saiten.
Meine beiden Freunde, zwei andere Mädchen, Werel und Sachmet
hießen sie, Ne-Tefnacht und ich saßen ruhig da und
tranken den Saft gepreßter Weintrauben. Die Ruhe der Nacht war
herabgesunken, wir unterhielten uns leise, und die wilde Euphorie des
Rausches verging und machte einer wohltuenden Müdigkeit Platz.
„Zwanzig Tage”, sagte der Bote. „Sie führen
schon deine Befehle aus, dort, nahe Nechen.”
„Zwanzig Tage also, in denen es uns gut ergehen wird”,
fuhr Werel fort. „Es ist hier mehr Freiheit als an allen
anderen Orten, die ich kenne.”
„Überall dort, wo ich bin, sorge ich für mehr
Freiheit”, sagte ich schwach. ,,So gut ich es kann.”
Ich dachte daran, wie wenig sich wirklich verändert hatte
seit Narmer-Menes. Die Ägypter hatten schnell zu einer
bestimmten Höhe der Kultur und Zivilisation gefunden und waren
nun auf dieser Ebene bestrebt, Bewährtes zu erhalten und Neues
nur vorsichtig anzunehmen.
„Die Zeit danach wird härter und für viele von uns
tödlich werden”, sagte Ptah. „Es ist ein gewaltiges
Unternehmen.”
Ich schüttelte den Kopf.
„Wenn alle meine Befehle richtig ausgeführt werden,
jetzt und später, dann brauchen wir nicht mit Toten zu rechnen.
Aber mit eurer Hilfe, Zakanza und Ptah, werden wir unsere Ziele
erreichen.”
„Und im Triumph zurückkehren.”
Nach und nach löste sich die Gruppe auf. Die letzten Flammen
der Palmöllampen mit dem Duft des Zedernöls erloschen. Die
Flöte schwieg zuerst, dann verklang
das Pochen der Trommel, und zuletzt begleitete Ne-Tefnacht und
mich nur noch der Harfenist. Wie Lichtreflexe zuckten die Akkorde
durch die Dunkelheit. Als ob wir uns vorher abgesprochen hätten,
gingen wir zu dem Teich, zogen unsere verschwitzten Kleider
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