PR TB 180 Das Goldland
sahen nur noch den Wald und ein paar
Rauchsäulen. Die Sonne stand zwischen Morgen und Mittag. Meine
Karte zeigte uns, daß wir bis zum nächsten Anlageplatz
drei Tage segeln mußten.
Wir hörten die Signaltrommeln niemals am Tag, nur in den
Nächten.
Im Morgengrauen näherten wir uns der Stelle, die durch ein
mächtiges Feuer gekennzeichnet war. Dort warteten ägyptische
Ruderer, Schreiber und Bogenschützen, dort gab es Proviant, und
an dieser Stelle lagerten unsere Tauschwaren. Es würde enger
werden zwischen den Bordwänden.
Der Signalbläser der HATHOR jagte seine krächzenden
Fanfarenstöße über das stille Wasser. Das Signal
lautete wir gehen an Land. Wir wurden erwartet. Wir sahen die
Bewegungen am Strand, vor der Kulisse des Waldes, die hier jäh
wechselte. Zwischen zwei ins Inland führenden Streifen Regenwald
breitete sich eine schüsselförmige Mulde von stachligem,
trockenem Bewuchs aus. Das merkwürdige Aussehen der Landschaft
und die vielen Rauchsäulen hatten uns vor einigen Monden hier
landen lassen. Dort lebte ein Stamm von etwa sechshundert Menschen;
uns war aufgefallen, daß es dort weder Kinder noch Greise gab.
Es waren die O'djoluvava. Jetzt erwarteten sie uns. Von den anderen
Schiffen erschollen die Signale Verstanden.
Wieder beschrieb die HATHOR, von den Ruderern kraftvoll durch die
Wellen gebracht, einen Viertelkreis, setzte sich auf die
Brandungswelle und ließ sich auf den Strand werfen. Der
Ankerstein schlug am Bug ins seichte Wasser. Männer sprangen
heraus, hatten wieder das vorübergehende Empfinden, der Boden
unter ihnen schwanke, und sie schleppten den Stein mit dem nassen Tau
in die Richtung der Feuer. Schwerfällig rauschte das nächste
Schiff heran, das dritte, dann der erste Lastenschlepper; schließlich
lagen sämtliche Schiffe in einer Reihe auf dem Sand. Eine
purpurne Morgendämmerung breitete sich entlang des Horizonts
aus.
„Und wieder ein Abschnitt heil überstanden!" rief
Tefnacht, als sie neben mir ins Wasser sprang.
„Diesmal ist es umgekehrt. Wir haben die schlimmste Zeit am
Ende der Reise."
„Unsere Leute glauben es noch immer nicht!"
„Es fällt schwer", erwiderte ich und zog sie auf
die Männer zu, die uns entgegenliefen. An ihrer Spitze rannte
Chutaui und wirbelte seine Arme durch die Luft. Er berührte vor
uns den Sand mit der Stirn, sprang auf die Beine und rief voll
überschäumender Freude:
„Ich habe die Gewürze verkostet! Neue Gaumenfreuden
werde ich uns allen bereiten. Es gibt hier Würzkräuter,
Reibenüsse und alles andere. Wartet nur. Zehnmal zwölf
große Krüge voll! Der Pharao wird mir ein riesiges Lehen
geben!"
„Er wird dich eine große Suppe kochen lassen!"
erwiderte ich und umarmte unseren Bordkoch. Er hatte uns gefehlt.
L'luvava rauschte heran, die Stammesfürstin. Sie war eine der
größten Frauen, die ich je gesehen hatte. L'luvava war
dick und massig, aber nicht fett zu nennen. Die Holzperlenschnüre,
die in allen Farben von ihrem Gürtel herunterhingen, klapperten
und schleiften durch den Sand. Dutzende von Armreifen und schwere
Schmuckketten klirrten wie die Hebel und Exzenter einer großen
Maschine. Als Zeichen der Freude hatte sie breite weiße
Streifen aus Kesit-Holzfarbe über ihren Körper gemalt.
„Fürstin Tefnacht!" schrie sie mit ihrer
Baßstimme. „Fürst Atlan! Meine Tochter, mein Sohn!
Wir haben durch die Trommeln gehört, daß ihr kommt! Und
schon ist das Essen fertig, meine Krieger haben Fische gespeert und
viel Wild geschossen. Kommt alle ins Dorf, alles ist angerichtet."
Sie erdrückte uns fast mit der muskulösen Fülle
ihres mächtigen Körpers. Ihre Haut roch nach einem schwülen
Parfüm, das uns den Atem verschlug. Mit einer Mischung aus
Belustigung und ehrlicher Scheu kamen Zakanza und Ptah hinter uns
her. Ipuki und die Kapitäne unterhielten sich mit den
Schreibern. Wir sahen überall exakte Stapel von Goldgefäßen,
von Blöcken aus Ebenholz, Kesitholzstämme und
Blätterballen, gefüllt mit Harz.
„Aber wir können keinen Mond lang bleiben. Nur ein paar
Tage!"
„Ihr müßt mit unseren Jägern ausziehen. Sie
wollen euch zeigen, wie gut sie mit den neuen Speeren und Pfeilen
sind."
„Warten wir es ab!" sagte ich. Sie stapfte vor uns her,
schlug in die Hände, rief Befehle in diese und jene Richtung.
Die Frauen und Mädchen des Stammes begleiteten uns singend zum
Dorfplatz, in dessen Richtung sich die Terrassen der Häuser mit
spitzen Giebeln und auf niedrigen Stelzen stehend öffneten.
Öllampen
Weitere Kostenlose Bücher