PR TB 182 Held Der Todeswelt
Flomik führte sie mit seiner Eskorte und einem Rattenschwanz von Riesenfröschen durch die subplanetaren Straßen zu einem bis zur Höhlendecke reichenden Zylindergebäude, das er als Zentrum der Kunst bezeichnete. Was sie dort erwartete, erfuhr nicht einmal Annemy von ihm, die als einzige noch ein Translatorwams besaß.
Flomik drückte sich nicht klar aus, er schwärmte nur in höchsten Tönen des Lobes über die Fähigkeiten des begnadeten Künstlers, der das ganze Volk der Aspiden in seinen Bann zu schlagen vermochte.
"Manchmal ist die hohe Kunst in Zeiten der Not ein wichtiger Bestandteil des Lebens", erklärte er. "Man kann mit den richtigen Worten die Verzweifelten aufrichten, man kann den Geschlagenen neue Hoffnung geben, die Mutlosen mit neuer Kraft erfüllen und den Trauernden dazu verhelfen, die erlösenden Tränen zu weinen."
Das Innere des Zylindergebäudes war ein einziger Raum, fünfhundert Meter hoch, mit einem Durchmesser von hundert Metern. Entlang der senkrechten Wandrundung waren Galerien für die Zuschauer errichtet. Es gab insgesamt hundert solcher übereinandergelagerter Rundgänge mit je tausend Sitzplätzen, so daß das ganze Gebäude hunderttausend Zuschauer fassen konnte - und es war bis auf den letzten Platz besetzt.
Der freie Raum in der Mitte war Bühne, durch raffinierte Lichteffekte, energetische "Kulissen" und optische Einrichtungen ausgestattet.
Annemy und ihre Gefährten bekamen einen Platz im Mittelteil zugewiesen und hatten eine ganze Ehrenloge für sich. Bei ihrem Eintreffen wurden die Lichtkegel auf sie gerichtet, und die hunderttausend Zuschauer erwiesen ihnen stehend, pfeifend und mit den Füßen trampelnd ihre Ovationen.
Das Pfeifkonzert dauerte fast eine Minute an, dann verstummten die Zuschauer schlagartig und nahmen wieder ihre
Plätze ein. Feierliche Stille senkte sich über die Halle. Die Lichter erloschen, nur ein Punktscheinwerfer erhellte in der Mitte, genau vor der Ehrenloge, einen Raum von einigen Kubikmetern.
Annemy wurde von der feierlichen Stimmung angesteckt und wagte kaum zu atmen. Sie merkte, wie Klackton auf seinem Sitz unruhig herumrutschte, und stieß ihn an. Er beruhigte sich, begann jedoch Gesichter zu schneiden, sich an der Nase zu kratzen und seine Ohrläppchen zu zupfen.
"Gleich ist es soweit", raunte Flomik Annemy zu.
"Seien Sie gewiß, daß dies auch für Sie ein unvergeßlicher Augenblick wird. Daran werden Sie noch ihr Leben lang denken. Aber wenn ich Sie bitten darf, bekunden Sie ihre Begeisterung durch nichts anderes als durch stille Andächtigkeit. Der begnadete Künstler darf während seines Auftritts durch nichts gestört werden, er braucht absolute Ruhe."
Annemy nickte wortlos. Sie war voll der Erwartung und gespannt darauf, was dieser sagenhafte Künstler zu bieten hatte, um ein ganzes Volk in seinen Bann schlagen zu können.
"Genießen Sie jetzt die Darbietung des Begnadeten..", murmelte Flomik abschließend.
Annemy konnte die Spannung nicht mehr länger ertragen, ihre Augen waren gebannt auf den Lichtkubus vor ihr gerichtet. Doch plötzlich erlosch das Licht. Finsternis herrschte für einige Atemzüge, in der Annemy unwillkürlich die Luft anhielt.
Als sich der Lichtkubus wieder erhellte, schwebte in ihm - ein Roboter! Aber nicht irgendein Roboter; sondern einer von Waltys Gauchorobotern, und auch nicht irgendein Gauchoroboter, sondern einer, der ihnen allen seltsam bekannt war.
"Aber das ist doch..", platzte Klackton heraus. Annemy verschloß ihm schnell den Mund mit der Hand.
"Pst", raunte sie ihm zu. "Oder willst du durch deine Unbedachtsamkeit die Aspiden gegen uns aufbringen?"
Klackton schien gar nicht gehört zu haben, was sie sagte. Er deutete unentwegt nach vorne und bewegte den Mund, aber außer unartikulierten Krächzlauten kam nichts über seine Lippen.
"Schon gut", versuchte Annemy ihn zu beruhigen.
"Ich weiß, daß es Billy the Kid ist. Aber wir können nicht mehr zurück. Wenn wir die Aspiden nicht kränken wollen, müssen wir ausharren."
Billy the Kid drückte seine langen Tentakelbeine durch und verneigte sich nach allen Richtungen. Dann richtete er sich auf, und es sah aus, als blähte er seinen Oberkörper auf.
Und dann begann er mit hoher femininer Stimme zu sprechen; und obwohl er Interkosmo sprach und die hunderttausend Aspiden kein Wort davon verstehen konnten, lauschten sie ihm in erwartungsvollem Schweigen.
"Ich bringe Ihnen die Wahnsinnsarie aus der Oper Lucia von Lammermoor von Gaetano
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