PR TB 183 Der Fall Oberon
dazu bewegt werden könnte,
seinem Antrag gegenüber eine ausgeglichenere Position
einzunehmen."
„Wobei ausgeglichener heißt...?"
„Daß die Person die Interessen des Antragstellers in
derselben Weise für wichtig hält wie die Interessen der
Behörde."
„Wie will Mardoun och Vlaas das erreichen?"
„Mardoun hat keine Idee, aber ich habe eine."
„Lassen Sie sie hören!"
„VanMaaghems Vermögen wird auf mehrere Milliarden Solar
geschätzt. Es wäre uns eine Kleinigkeit, davon eine Million
abzuzweigen - entweder direkt zugunsten der Person, von der die Rede
ist, oder für irgendeinen anderen Zweck, der uns von der Person
benannt werden muß."
„Also Bestechung", lächelte Lynne.
„Nennen Sie's, wie Sie wollen", antwortete Earl der
Techniker großspurig. „Für eine Million kann man
sich allerhand neue Namen einfallen lassen."
Lynne setzte sich in den Sessel, der dem kleinen Mann gegenüber
stand.
„Ich glaube, ich habe jetzt genug gehört",
erklärte sie. „Für Sie wird es an der Zeit, sich auf
den Weg zu machen. Unsere Unterhaltung ist aufgezeichnet worden. Ich
weiß nicht, ob die Aufzeichnung dem Antrag Ihres Freundes
besonders dienlich sein wird."
Lynne hatte erwartet, den kleinen Mann jetzt erschreckt zu sehen.
Statt dessen lächelte Earl sie freundlich an. Er stand
willfährig auf und schien in der Tat entschlossen, Lynnes
Aufforderung zu folgen.
„Aufzeichnung! Was soll das? Überlegen Sie sich die
Sache. Es wird mindestens ein Jahr vergehen, bis Sie wieder mal eine
Million angeboten bekommen. Ich werde mich bei Gelegenheit wieder mit
Ihnen in Verbindung setzen, um Ihre Entscheidung zu hören."
Er ging hinaus. Lynne hörte, wie sich die Eingangstür
hinter ihm schloß. Im nächsten Augenblick war sie am
Radiokom. Sie wählte den Rufkode der AID-Zentrale.
„Ist der Chef noch da?" fragte sie, als das andere Ende
sich meldete.
„Er ist so unermüdlich wie immer", wurde ihr
geantwortet. „Einen Augenblick, bitte."
Wenige Sekunden später erschien Ronald Tekeners Gesicht auf
dem Bildschirm.
„Einer von Vlaas' Leuten war bei mir", berichtete
Lynne. „Schlich sich hier ein, während ich nicht zu Hause
war. Klein, schwarzes Haar, intelligentes Gesicht, große Augen.
Nennt sich Earl der Techniker. Er versuchte, mich zu bestechen. Das
Gespräch wurde aufgezeichnet. Lassen Sie es abrufen und
entscheiden Sie selbst, ob es uns eine Handhabe gegen Vlaas gibt."
Tekener grinste.
„Wie hat die AID überhaupt funktionieren können,
bevor Sie an Bord kamen?" fragte er mit freundlichem Spott.
Am nächsten Morgen ließ Lynne Acija sich vom Rechner
als erstes die Akte des Falles Mardoun och Vlaas vorspielen. Der
Springer hatte seinen Antrag
ordnungsgemäß gestellt. Das Vermögen, für das
er im Auftrag VanMaaghems entschädigt werden wollte, belief sich
auf insgesamt 5,387 Milliarden Solar. Der Antrag benannte als
akzeptable Ausgleichsgüter Anlagen der leichten und
mittelschweren Industrie, Grundbesitz und die Südseeinsel
Rangiroa im Archipel der Gesellschaftsinseln. Dieser letztere Wunsch
kam Lynne reichlich ungewöhnlich vor. Sie ließ sich mit
der Zentralen Information verbinden und erfuhr, daß Rangiroa
derzeit im Besitz einer Maklergruppe war, die die Insel für
einen Preis von achtzehn Millionen Solar zum Verkauf angeboten hatte.
An diesem Tag gab es für Lynne nicht viel zu tun, obwohl Ger
Mikajounen keine Gelegenheit verstreichen ließ, sie in sein
Büro zu rufen oder sie in ihrem eigenen Arbeitsraum aufzusuchen,
um ihr einen mehr oder weniger nichtssagenden Auftrag zu geben. Lynne
bemerkte zu ihrer Überraschung, daß sie Mikajounens
Verhalten als angenehm empfand.
Von Mardoun och Vlaas wurde nichts gehört. Sein Antrag befand
sich mit vielen anderen zusammen in der Rechnerauswertung, die bei
dem gegenwärtigen Arbeitsanfall etwa zwei Tage in Anspruch
nehmen würde. Die Auswertung ermittelte nicht nur die
Richtigkeit der gemachten Angaben, sondern entwickelte außerdem
Vorschläge, welche Güter beim Ausgleich verwendet werden
sollten.
Gegen 11 Uhr erhielt Lynne einen Anruf von der AID-Zentrale. Ein
buntes Symbol erschien eine Sekunde lang auf dem Bildschirm, dann
blickte ihr Ronald Tekener entgegen. Sein Gesicht wirkte
undurchdringlich wie eh und je.
„Wo essen Sie heute zu Mittag?" fragte er.
„Ich habe keine Pläne."
„Ich möchte Sie einladen."
Lynne nahm an. Tekener benannte ein Restaurant in der Innenstadt.
Lynne traf ihn dort kurz nach zwölf Uhr. Das Lokal war von
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