PR TB 188 Computer Kid
haben
sich viele Leute überwiegend fleischlos ernähren müssen,
aber heute treten sie auf, als wäre es eine Zumutung, wenn eine
Karte keine Fleischgerichte enthält. Verstehen Sie das?"
„ „Ich glaube, ja", erwiderte Kyron. „ „Bei
mir liegt das allerdings anders. Ich mag keine Fleischgerichte."
„ „Und ich mag keine Gäste, die überhaupt
nichts verzehren", sagte Calaya Haraldsen. „ „Vor
allem dann nicht, wenn man sie von draußen sehen kann. Da
müssen die Passanten ja denken, bei uns müßten die
Gäste stundenlang auf ihr Essen warten."
„ „Ich verstehe", sagte Kyron. „ „Leider
besitze ich keine ID-Karte, da einer Ihrer Roboter meinen
Urlaubsschein verbrannt hat."
„ „Urlaubsschein?" fragte Caly. „ „Was
für einen Urlaubsschein?"
„ „Vom Resozentrum in Colombo", antwortete Kyron
Barrakun bereitwillig.
„ „Resozentrum!" sagte Calay verächtlich. „
„Man sollte alle diese arbeitsscheuen, drogensüchtigen
Elemente, die dort auf Kosten der Allgemeinheit schmarotzen, in die
Merkur-Bergwerke stecken und ..."
Sie schlug sich erschrocken auf den Mund. „ „Entschuldigen
Sie, aber ich kam gar nicht auf den Gedanken, daß Sie ... Das
kam, weil Sie ..."
Kyron stand auf.
„ „Weil ich weder arbeitsscheu noch drogensüchtig
aussehe", erklärte er.
„ „Sie sollten sich an der Wirklichkeit orientieren
und nicht an irgendwelchen Vorurteilen."
„ „Aber wollen Sie denn nichts verzehren?" fragte
Calya Haraldsen verwundert.
„ „Wie ich bereits sagte, besitze ich keine ID-Karte
mehr", erwiderte Kyron.
„ „Das gibt es doch gar nicht", meinte Calya.
„ „Jede wirklich existierende Person besitzt eine
ID-Karte mit allem Drum und Dran."
„ „Dann existiere ich offenbar nicht wirklich",
erwiderte Kyron Barrakun.
„ „Aber das wäre doch ein Unding!" rief
Caly. Kyron schüttelte den Kopf.
„ „Nicht das ist ein Unding. Ich bin ein Unding."
Er drehte sich um und ging.
Eine halbe Stunde später stand er ratlos vor der Tür
seines Hotelzimmers. Das Zimmer war nicht nur gegen Diebe
abgesichert; es war auch für den Schutz der Intimsphäre des
jeweiligen Gastes perfekt gesorgt. Zu perfekt, fand Kyron Barrakun.
Als er das Zimmer gemietet hatte, waren vom Empfangscomputer seine
Individualdaten vom Urlaubsschein abgelesen und an das vorgesehene
Zimmer weitergeleitet worden. Die Zimmertür programmierte sich
danach so, daß außer den Wartungsrobotern nur jemand
eingelassen wurde, der Kyrons Urlaubsschein mit dem ID-Abschnitt auf
das Leuchtfeld der Türkontrolle legte.
Jemand, der keine ID-Karte beziehungsweise keinen ID-Abschnitt
besaß, existierte für den Türcomputer überhaupt
nicht. Folglich würde sich die Tür nicht einmal in hundert
Jahren für einen Gast namens Kyron Barrakun öffnen.
Kyron kehrte um. Das mit dem Hotelzimmer nahm er nicht tragisch.
Er trug seinen gesamten Besitz bei sich, brauchte also nichts aus
seinem Zimmer zu holen. Er mußte lediglich einen Tag früher
als geplant nach Colombo fahren, um sich Ersatzpapiere zu besorgen.
Auf dem Bürgersteig angelangt, ging Kyron bis dicht an den
Randstein und streckte den Arm über die mit Sensoren bestückte
Plastikkante hinaus. Sekunden später scherte ein Gleiter aus dem
Fahrzeugstrom und hielt neben Kyron.
Kyron wollte einsteigen und prallte mit dem Kopf gegen die
geschlossene Tür.
„Bitte, halten Sie Ihre ID-Karte gegen das Leuchtfeld der
Tür", sagte eine sanfte melodische Stimme aus den kaum
erkennbaren Lautsprechergittern des Gleiters.
„ „Ich habe keine ID-Karte", erwiderte Kyron.
„ „Bitte, die ID-Karte gegen das Leuchtfeld halten!"
forderte die Computerstimme. „ „Falls Sie es sich anders
überlegt haben und keinen Gleiter mehr benutzen möchten,
müssen Sie die ID-Karte dennoch gegen das Leuchtfeld halten und
anschließend ihre Hand auf das Feld legen. Bei Nichtbefolgung
dieser Anweisungen wird Anzeige erstattet."
„ „Es tut mir leid, aber ich besitze keine ID-Karte",
sagte Kyron Barrakun.
Im Leuchtfeld blitzte es grell auf. Kyron nahm an, daß er
fotografiert worden war. Es störte ihn jedoch nicht, denn da er
offiziell nicht existierte, konnte man ihm auch keine Buße
auferlegen.
Mißmutig schlenderte er zur Stationskuppel der
Vakuum-Rohrbahn, ging durch eines der Tore und rannte mit dem Bauch
voll gegen eine Sperriegel der ABFAHRT-Einlässe. Stöhnend
wich er zurück und musterte den rohrförmigen blanken
Sperriegel, als wäre er ein Feind aus Fleisch und
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