PR TB 191 Geisterschiff Crest IV
Rhythmus, in den
sich die Echowellen nahtlos einfügten. Kevan Duryeah ertappte
sich dabei, wie er den Oberkörper im Takte des Gesangs hin und
her wiegte. Er blickte in die Höhe und glaubte, vor dem
düsterroten Nachthimmel die grotesk geformten Schatten riesiger,
fremdartiger Wesen zu sehen. Er spürte, wie ihm die Fähigkeit,
zusammenhängend zu denken, allmählich abhanden kam. Der
Verstand brachte nur noch Gedankenfetzen zustande, kurzlebige Serien
von Gedankenimpulsen, die weder Herkunft noch Ziel hatten.
Kevan Duryeah verlor jegliches Verständnis für den
Zeitablauf. Als der Gesang schließlich mit einem gellenden
Schrei aller Beteiligten endete, da wußte er nicht, ob Stunden
oder nur Minuten vergangen waren, seitdem der König der Elstern
die Zeremonie eröffnet hatte. Er stand unter dem Einfluß
eines Bannes, der nur langsam von ihm wich. Er wagte es nicht, seinen
Standort zu verlassen aus Furcht, er werde das Gleichgewicht
verlieren. Die gesamte Szene, soweit der Blick reichte, war zur
Bewegungslosigkeit erstarrt. Die Elstern standen mit gesenkten
Schädeln, die langen, gefährlichen Schnäbel zum Boden
gerichtet, und rührten sich nicht. Sie wirkten, als habe ein
Hypnotiseur sie in den Tiefschlaf versetzt.
Da entstand drüben bei den Fahrzeugen Bewegung. Duryeah
erblickte eine hochgewachsene Gestalt, die sich dem Podium näherte,
und erkannte Lennox Hatt.
„Der Gesang war von ungewöhnlich starken Hyperimpulsen
begleitet, Sir", erklärte er.
„Haben wir ausreichende Daten für eine Peilanalyse?"
fragte Kevan Duryeah, der allmählich aus der Benommenheit
erwachte.
„Diese Antwort möchte ich den Experten überlassen,
Sir", zögerte Hatt. „Ich würde sagen ja, aber
die Hyperstrahlung, die hier eingesetzt wird, ist nicht von der
herkömmlichen Art. Daraus könnten sich Komplikationen
ergeben."
Während Duryeah darüber nachdachte, wie er sich am
raschesten Gewißheit verschaffen könne, ohne die Regeln
des Anstands oder die Gefühle seiner Gastgeber zu verletzen, sah
Lennox Hatt sich um. Plötzlich bemerkte er:
„Die Elstern kommen zu sich!"
Duryeah schrak auf. Ringsum begannen die Teilnehmer des großen
Gesangs sich zu regen. Sie reckten die Köpfe, taten ein paar
Flügelschläge, als müßten sie sich die Müdigkeit
aus den Gliedern schütteln, und wandten sich in Richtung des
Podiums, um nach ihrem König zu sehen.
Mirrmiit war merkwürdigerweise der letzte, der aus der Trance
erwachte. Lag das daran, daß seine Anstrengung größer
gewesen war als die der Mitsänger, oder hatte er in den
vergangenen Minuten eine geheime Botschaft der Kii-jiöh-rrhaal
empfangen? Er sah sich um und erblickte Kevan Duryeah. Er setzte die
Ränder seines tellerförmigen Fußes in vibrierende
Bewegung und kam auf den Terraner zugeglitten. Die schwarzen
Knopfaugen blickten starr. Ein merkwürdiger Gedanke fuhr Duryeah
durch den Sinn: Wie könnte ich mit diesem Wesen jemals Freund
sein?
Mirrmiit begann zu sprechen. Aus Duryeahs Translator erklang die
Übersetzung:
„Die, die über uns schweben, haben von deinem Wunsch
mit großer Freude gehört. Ihre Gnade und Weisheit leuchten
über dir. Dir und deinen Freunden wird zuteil, was bis jetzt
selbst den Mitgliedern unseres Volkes verwehrt war. Folgt mir ins
Land der Erhöhung!"
Leutnant Remo Shah spazierte in den Kommandostand, als sei er
zufällig hier vorbeigekommen und habe im Augenblick nichts
Besseres zu tun, als sich in der Befehlszentrale umzusehen.
Die Besatzung bestand im Augenblick aus fünf Spezialisten und
Offizieren, die ohne sonderlichen Eifer ihren jeweiligen Tätigkeiten
nachgingen. Hinzu kam Nadim Abouzir, die es sich an der
Kommandokonsole im Zentrum des kreisförmigen Raumes bequem
gemacht hatte. In ihrer Nähe blieb Remo eine Zeitlang stehen und
wartete darauf, bemerkt zu werden. Als das nicht geschah, stieg er
die zwei Stufen empor, die zu der Konsole hinaufführten.
„Wie fühlen Sie sich in der Rolle des Befehlshabers?"
erkundigte er sich.
„Der Befehlshaberin", verbesserte Nadim, ohne
aufzusehen.
„Na, meinetwegen: der Befehlshaberin", gestand Remozu.
„Danke, ausgezeichnet", lautete Nadims Antwort.
Sie war offensichtlich wenig geneigt, sich in ein längeres
Gespräch mit Remo einzulassen. Das aber störte wiederum
Remo nur wenig. Er fragte:
„Was würden Sie tun, wenn eine fremde Macht die HAMPTON
T. plötzlich angriffe?"
Nadim legte den Lichtgriffel, mit dem sie auf dem Datenbildschirm
gearbeitet hatte, beiseite.
„Mich
Weitere Kostenlose Bücher