PR TB 196 Invasion Der Fliegenden Monde
denkst, wir seien unabhängig,
reich und frei und überdies gesund. Du suchst das paradiesische
Leben vor dem Tode, das Abenteuer, das dich weder verstümmelt
noch umbringt, du suchst Unabhängigkeit, gute Freunde, die
Freuden des Nichtstuns und diejenigen der exotischen Liebe und
Leidenschaft. Du willst Länder und Menschen sehen, die es nicht
einmal in deinen Träumen gibt. Deine Träume sollen wahr
werden, und mehr als das! Du denkst, mit vierzig Jahren ist alles
vorbei, und du getraust dich nicht mehr, Assur zu verlassen. Uns
umweht, nach deiner Meinung, der kalte Sturm ferner, phantastischer
Welten."
Ich ließ mir einen langen Schluck des bitteren, kalten
Bieres schmecken. Mikaylu und sein Verwalter starrten mich schweigend
an, Ptah und Zakanza grinsten zurückhaltend. Ich sprach weiter:
„Entdeckungen leerer Strande unter schattigen Bäumen,
mandeläugige Mädchen, die nach unbekannten Gewürzen
duften, Kämpfe, aus denen wir als Sieger hervorgehen, weil wir
schneller und besser sind, schnelle Ritte auf den zauberischen
Tieren... das alles und noch mehr verbindest du in deiner Phantasie
mit uns dreien. Richtig, Händler?"
„Du sprichst wahr." Er nickte trübsinnig. Ich
leerte den Becher und schloß:
„Die Hälfte davon ist wahr, nicht mehr. Wir werden dir
in den nächsten Tagen zeigen, daß wir nicht mächtiger,
aber anders sind. Wir werden eine längere Reise unternehmen, als
sie deine Karawanen je machen mußten. Vielleicht sterben wir am
Ende der Reise, weil unsere Feinde mächtiger sind.
Alles, was wir erleben, ist für uns Abenteuer. Gut oder
schlecht, gefährlich oder heiter wie jetzt, einfach deshalb,
weil wir es bewußt erleben. Für dich mag alles ein
gleichförmiges Einerlei sein, nicht aber für uns. Wir
springen über unseren Schatten, der ebenso dunkel wie deiner
ist. Verkaufe deinen Hof, deine Waren, deine Knechte
- komm mit uns! Aber glaube kein Augenzwinkern lang, daß
dich eine Reise wie auf Wolken erwartet. Kampf, Hunger und Durst,
Kämpfe und Tod sind sichere Begleiter. Komm mit uns zu diesen
Bedingungen, aber beneide uns nicht darum, Mikaylu.
Überdies sind wir hungrig und daher begierig, die Kunst
deiner Küche kennenzulernen."
Wohl gesprochen! meldete sich mein Logiksektor. Ich stellte den
Becher ab und beugte mich vor. Verblüfft und ein wenig ratlos
blickte mich der Verwalter an. Mikaylu war in tiefes Nachdenken
versunken. Er schien jedes meiner Worte verstanden und richtig
gedeutet zu haben. Er war nicht einmal böse oder grämlich.
Überdies schien ihn der Versuch meiner Analyse nicht nur
beeindruckt, sondern auch tief getroffen zu haben. Die Fähigkeit,
anderen Menschen die Wahrheit zu sagen, besaß ich wohl; mir
gegenüber vermochte ich solche Ehrlichkeit nur höchst
selten zu praktizieren. Ich hob die Hände und zeigte in einer
beschwichtigenden Geste die Handflächen. Ich hatte Sumerisch
gesprochen und diejenigen Sprachbrocken des neuen Assyrisch
eingeflochten, die ich während der wenigen Stunden in der
Handelskarawane gelernt hatte. Offensichtlich hatte mich jeder hier
im Raum verstanden.
„Böse, Mikaylu? Überrascht? Verwundert oder
verletzt?"
Er hob den Kopf und sah mir in die Augen. Mir fiel ein, daß
ich, um nicht allzu fremd in diesem Land zu wirken, mein Haar
dunkelbraun färben mußte.
„Nein. Deine Worte waren hart, aber wahrhaftig. Ich werde
später darauf antworten. Jetzt wollen wir sehen, wie gut
Jachzirrel gewirtschaftet hat."
Mikaylu klatschte mehrmals in die Hände. Mägde und
Diener kamen herein und brachten auf weiß polierten Holztellern
Käse und Butter, Früchte und Braten, lecker aussehende
Salate aus vielen verschiedenen Feldfrüchten, Eier und
gebratenen Fisch, abermals Bier und dunklen, stark riechenden Wein.
Unverändert spielte irgendwo draußen die leise Musik. Wir
aßen mit Fingern, Löffeln und Messern. Zuerst gab es in
breiten Bechern eine Art Suppe oder Brühe; stark gewürzt,
kochend heiß und unmäßig anregend. Immer wieder
brachte man uns warmes, parfümiertes Wasser in silbernen Kesseln
und Leinentücher, um die Finger zu reinigen. Zuerst aßen
und tranken wir schweigend, denn unser Appetit war mächtig und
durch die Brühe gesteigert.
Dann unterhielten wir uns.
Zakanza konstruierte eine Geschichte über den Feind, den wir
bekämpften. Sie entsprach sogar ziemlich der Wahrheit. Mikaylu
berichtete, daß er seinen Namen zu Recht besaß. Er
tauschte fast nur Gegenstände, die klein waren, wenig Lasten
beanspruchten und Luxus
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