PR TB 196 Invasion Der Fliegenden Monde
mit euch reiten - wenn ihr mich mitnehmt."
Zakanza stürzte einen gewaltigen Schluck Bier hinunter,
stöhnte auf und sagte laut:
„Mein Wort. Ich habe es nicht erwartet. Du bist unser Mann,
Mikaylu! Ich lehre dich, wie man mit dem Bogen umgeht."
„Ich bringe dir bei, wie man überlebt", sagte ich
und erinnerte mich an den Ausspruch von ES, der mein überaus
hohes Überlebenspotential herausstellte.
„Ich darf mit euch reiten?" fragte er unsicher.
„Mit fünf Pferden", entgegnete Ptah-Sokar. Er war
ebenso verblüfft wie wir. Ich sah förmlich die Gedanken
meiner Freunde, weil sie meinen Überlegungen fast deckungsgleich
ähnlich waren. Die Mägde und Knechte aßen schweigend.
Sie waren für diese Augenblicke zur Statisterie verurteilt und
völlig unwichtig. Die Unterhaltung fand nur zwischen uns vier
Männern statt. Auf Mikaylus Gesicht erkannten wir die Zeichen,
eines langen Kampfes mit sich selbst, der jetzt beendet war. Auf eine
schwer zu ergründende Weise hatte er sein wahres Selbst
gefunden. Es war der tiefe Schock, wie Ptah-Sokar völlig richtig
bemerkt hatte. Vermutlich waren diese Überlegungen viel älter,
als wir ahnen konnten. Aber jetzt hatte er sich entschlossen,
endgültig, wie es schien. Ich griff ebenfalls nach dem
Bierbecher, warf einen raschen Blick auf den unteren Teil der Tafel
und erkannte, daß es so etwas wie eine Trotzreaktion, ein
Abschiedsessen und der Beginn eines neuen Lebens sein sollte. Oder
wenigstens der Versuch dazu.
„Vorausgesetzt", sagte ich so ruhig wie möglich,
„daß es dir morgen ebenso ernst ist wie jetzt, reitest du
mit uns. Aber denke an jedes einzelne Wort, das wir zu dir sagten.
Das, was du heute erlebt hast, war nur der Anfang. Es kann nur
schlimmer werden."
Er nickte. Er war entschlossen, und nichts konnte ihn aufhalten.
Und plötzlich war ich überzeugt, daß er es schaffen
würde. Vielleicht gehörte zu dem, was der Händler
versuchte, mehr Mut, als wir hatten. Er ritt freiwillig mit uns, wir
waren mehr oder weniger gezwungen.
So ist es. Ihr seid Krieger und Kämpfer. Seine Überwindung
ist größer. Sein Ehrgeiz wird größer mit jedem
Tagesritt, sagte der Logiksektor.
Ich stellte eine naheliegende Frage.
„Dein Handel? Der Inhalt deines Magazins, Mikaylu? Und deine
vorzüglichen Knechte und Mägde?"
Er hob die Arme und kehrte die Handflächen zum Himmel. Dann
sagte er:
„Viele sind freie Bürger. Andere werde ich freilassen.
Wieder andere übernehmen andere Händler oder der Fürst.
Mein Besitz läßt sich in Kupferscheiben, Silber und Gold
verwandeln. Damit kann ich überall alles kaufen."
Zakanza knurrte zustimmend. Er sah nachdenklich aus. Scharf und
grau hob sich die Narbe an seiner Wange ab. Er warf mir und Ptah
einen langen Blick zu und erklärte endlich:
„Vielleicht verletze ich dich, Mikaylu. Aber ich muß
es sagen, weil uns nur Ehrlichkeit nützt. Glaube mir, ich sage
es deinetwegen, nicht um meiner willen: Es ist nicht sicher, ob du
deine persönlichen Träume am Ende unserer langen Reise
finden wirst."
Mit der Überlegenheit eines erfahrenen Mannes, der mit seinem
Leben abgeschlossen hatte, gab Mikaylu seine Antwort. Wir erkannten
ihn nicht wieder.
„Dieses Risiko bin ich mehr als dreißig Sommer
eingegangen. Ich sage dir, Zakanza, ich werde jeden meiner Träume
wahrmachen. Es sind nicht viele, übrigens."
„Unter diesen Umständen", schloß der Nubier
zufrieden, „wird unser Vorhaben geradezu ein Spazierritt
werden. Auf das Wohl eines neuen Helden!"
Wir hoben die Becher und stießen die Ränder
gegeneinander. Erschrocken und verständnislos sahen die anderen
zu. Es gab einen trockenen Klang, als sich die Tonbecher trafen. Bier
spritzte auf das weiße Leinen.
„Der Händler ist tot", murmelte Ptah. „Ein
Abenteurer ist geboren. Ich trinke darauf, Bruder."
Das letzte Wort war sein zurückhaltender Kommentar. Er hatte,
auf seine karge Art, den Mann neben uns akzeptiert. Er würde
sich für ihn ebenso einsetzen wie für Zakanza oder wie für
mich.
Nur langsam kam etwas Fröhlichkeit auf. Wir aßen und
tranken reichlich; der Schrecken löste sich, je mehr Bier
herangebracht wurde. Es war und blieb eines der merkwürdigsten
Gastmähler, an die ich mich erinnerte. Irgendwann zwischen Nacht
und Morgengrauen wankten wir in unser halbzerstörtes Quartier
und schliefen ein. Wir hatten vor, so schnell wie möglich
loszureiten.
Das Ziel kannten wir noch immer nicht.
4.
Sechs lange Tage lagen hinter uns. Wir ritten jetzt genau
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