PR TB 196 Invasion Der Fliegenden Monde
Nachtluft stieg und stellenweise die Sterne
verdunkelte. Wieder war ein Westwind aufgekommen, und auch der Lärm
aus der Stadt war geringer geworden.
„Morgen werde ich dich fragen, was das bedeutet", sagte
Ptah. „Da du ohnehin alles zu wissen scheinst, Atlan, wirst du
es uns erklären."
Ich stand kopfschüttelnd da, spürte in meinem Rücken
die Hitze unter dem Fell des schwarzen Hengstes und wußte, ohne
einen direkten Beweis zu haben, daß die Meteoriten und die
Bahnen der Kometen miteinander zusammenhingen und daß wir eben
ein mehr als deutliches Signal erhalten hatten. Ein Signal dafür A daß wir in kurzer Zeit aufbrechen mußten. Aber... wohin?
„Ich erkläre euch alles. Richtet euch darauf ein, daß
wir in wenigen Tagen reiten müssen."
Zakanza klopfte den Hals eines Pferdes und nickte zustimmend.
„Ich ahne, daß du recht hast, Atlan. Wenn ich die
letzten Stunden richtig sehe, ist unsere Zeit hier abgelaufen."
„Besonders deswegen", murmelte Ptah, „weil wir
heute nacht im Freien schlafen. Was mich nicht stört, aber
Atlans Meinung deutlich unterstreicht. Neter nefer, guter Gott - wie
wird erst der Kampf, wenn die Vorbereitungen schon so drastisch
sind!"
Wider Willen mußte ich lachen. Die Fähigkeit meiner
Freunde, sich auf die herrschende Situation einzustimmen, war
eindrucksvoll. Ich senkte die Fackel und ging langsam auf den Hof des
Händlers zu.
„Laßt uns alles erst einmal überschlafen",
sagte ich leise. „Morgen sieht jedes Problem ganz anders aus."
„Ein kluger Vorschlag!" stimmte Zakanza zu.
„Am schlimmsten drückt der fremde Stiefel",
erklärte Ptah verbindlich. „Falls einer von euch unsicher
ist -ich meine unseren unentschlossenen Händler. Heute nacht
bekam er den tiefsten Schock seiner fragwürdigen Existenz."
„Damit hast du wohl recht", pflichtete ihm Zakanza bei.
Wir sahen uns nachdenklich um, während wir über den
knirschenden Sand und die raschelnden Halme abseits der ausgefahrenen
Wagenspuren auf Mikaylus Hof zugingen. Die Kometenbahnen stachen
grell zwischen den Sternen hervor, obwohl die Mondsichel ein vages
kaltes Licht verströmte. Die meisten Lichter der Stadt waren
gelöscht worden. Die Tiere ringsum hatten sich beruhigt; die
Nacht war von dem leisen, einschläfernden Chor der bekannten
Stimmen erfüllt. Überall auf den Mauern und in den Nischen
von Mikaylus Hof standen Öllämpchen. Nach wie vor huschten
Gestalten vor dem Licht hin und her. Wir traten in den Innenbereich
hinein, und ich fragte Zakanza leise:
„Unsere Ausrüstung ist unbeschädigt?"
„Etwas verstaubt und voller Lehmziegelbrocken, aber sonst
unangetastet."
„Versuchen wir, Mikaylus Seele aufzurichten. Sein Ka war
nahe daran, ihn zu verlassen", meinte Ptah-Sokar. „Inzwischen
tut er mir leid."
Der Händler des Überflüssigen überraschte uns
alle.
Flüchtig waren die Trümmer weggeräumt und die
Balken in den Resten des Kamins aufgeschichtet worden. Wir blieben
sprachlos stehen, als wir die Szene sahen und begriffen, was hier
geschehen war. Zwischen den stehenden oder umgeworfenen Wänden,
ohne Dach und unter freiem Himmel, zur Hälfte innerhalb des
einstigen Wohnraums und zur anderen Hälfte außerhalb,
standen mehrere Tische aneinandergereiht. Sie waren mit verschieden
großen, indes weißen Leinendecken belegt. Teller mit
Braten und Früchten, Krüge und Becher standen darauf, und
sämtliche Mägde und Knechte saßen auf teilweise
halbzerbrochenen Stühlen und Hockern am Tisch. Drei Plätze
rechts und links von Mikaylu, der am Kopf dieser makaber wirkenden
Tafel saß, waren frei. Zakanza-Upuaut pfiff anerkennend und
sagte dann in abgrundtiefer Bewunderung:
„Ich habe gezweifelt. Nun sage ich, daß ich mich
geirrt habe. Unser Händler des Überflüssigen ist doch
ganz anders, als er zu sein schien."
„Mikaylu ist nicht mehr länger derjenige, den ihr
kennt", sagte der Mann vor uns. Er war vollkommen verändert.
Er schien förmlich gereift zu sein in den letzten zwei
Stunden. Er sah ganz anders aus, eine seltsame Aura von kalter
Entschlossenheit strahlte von ihm aus. Sein Gesicht hatte neue Linien
bekommen, sein nasses Haar lag am Kopf an wie die Federn an einem
Falkenschädel. Sein weißes Gewand war zerfetzt und
verdreckt. Er war ruhig und schien betrunken zu sein, aber er war es
nicht. Er sah uns mit klaren, blitzenden Augen an und deutete auf die
leeren Sessel. Mit ruhiger Stimme sagte er:
„Setzt euch, bitte. Das ist meine letzte Nacht als Händler.
Morgen werde ich
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