PR TB 198 Das Tor Zur Tiefe

Oben an dem strahlend blauen Himmel glänzten die
Scheiben von vier Sonnen. Für einen Moment dachte Alaska daran,
daß es auf Tardell wohl nie eine Nacht gab, wenn der Planet im
Innern der neun Sonnen stand.
    Der entscheidende Unterschied zu dem Gemälde im Saal der
Besinnung war jedoch, daß das Gebilde, in dem Rosy Dewitte das
Tor zur Tiefe vermutet hatte, fehlte. Der hellblaue Kreisbogen mit
dem schwarzen inneren Feld war nicht vorhanden.
    Auch aus dem zweiten Beiboot waren die Tardellia-ner ausgestiegen.
Sie formierten sich zu einem Zug, an dessen Spitze die beiden
Twinzwerge mit ihren toten Zwillingen schritten, Während sich
die Prozession schweigend in Bewegung setzte, deuteten zwei
identische Tardellianer den Menschen durch unmißverständliche
Gesten mit ihren Waffen an, sich anzuschließen.
    Schon nach knapp fünfzig Schritten blieb der Zug stehen. Die
Tardellianer hoben einen Gesang an, der an die schwermütige
Musik erinnerte, die die Menschen an Bord des Schiffes schon gehört
hatten.
    Und da geschah es!
    Mit heftigem Prasseln wölbte sich der blaue Kreisbogen aus
dem Boden und erreichte eine Höhe von gut zwanzig Metern. Als
das seltsame Gebilde stand, verschwanden die Begleitgeräusche.
Das Innere des Bo-gens füllte sich mit einer lichtlosen
Schwärze, die dunkler war als ein sternenloser Himmel des
Weltalls. Etwas Unheimliches ging von dem Tor zur Tiefe aus.
Irgendwie erinnerte es Alaska an einen Transmitter-torbogen, aber die
Form und die Farbe waren doch anders.
    Der fremdartige Gesang der Tardellianer brach in dem Moment ab,
als das Gebilde sich stabilisiert hatte.
    Der erste Twinzwerg setzte sich mit seinem toten Zwilling auf den
Armen in Richtung des Tores in Bewegung. Saedelaere blickte sich
rasch um. Die vor ihm stehenden Tardellianer hatten andächtig
die Augen geschlossen. Nur die beiden Bewaffneten, die hinter den
drei Menschen standen, waren voller Aufmerksamkeit. Ihre Blicke lagen
auf Saedelaere, Rosy und Indacochea.
    Der Transmittergeschädigte erwartete irgendwie, daß der
Twinzwerg nun seinen toten Bruder am dem Tor zur Tiefe übergeben
würde. Es geschah aber etwas, was für die Menschen unfaßbar
war.
    Rosy Dewitte atmete schwer auf, als sie sah, wie der Tardellianer
mit seinem leblosen Begleiter in das Tor trat. Ein greller Blitz
zuckte vor dem pechschwarzen Hintergrund auf. Dann waren der lebende
und der tote Twinzwerg verschwunden.
    Alaska und Rosy starrten gebannt auf die Szene, als sich der
zweite Tardellianer in Bewegung setzte. Fast wäre ihnen dadurch
das klatschende Geräusch hinter ihrem Rücken entgangen.
    Rosy Dewitte bemerkte die Veränderung zuerst, denn Saedelaere
war plötzlich abgelenkt. Sein Cap-pin-Fragment war unruhig
geworden. Spürten die Instinkte des Organklumpens die nahe
Vernichtung, oder waren es die energetischen Strahlungen des
Torbogens, die es in Erregung versetzten? Rosy wußte es nicht.
Sie konnte sich auch keine Gedanken mehr darüber machen, denn
als sie nach rückwärts blickte, sah sie die Veränderung.
    Die beiden Tardellianer, die sie bewacht hatten, lagen
bewegungslos auf dem
    Boden. Graner Indacochea rannte mit riesigen Schritten in Richtung
der abgestellten Beiboote.
    Sie packte Alaska am Oberarm und zog ihn herum, um ihn auf die
Eigenmächtigkeit des Solgeborenen aufmerksam zu machen.
    „Alaska! Kommen Sie! Das ist unsere Chance", zischte
sie kaum hörbar, um die Tardellianer nicht aufmerksam zu machen.
    Saedelaere zeigte kaum eine Reaktion. So zog die Frau ihn einfach
mit sich mit. Schon nach wenigen Schritten beruhigte sich das
Cappin-Fragment. Alaska murmelte etwas Unverständliches und
rannte los.
    Das wütende Geschrei der Twinzwerge hob an, als sie das erste
Beiboot erreicht hatten. Indacochea war schon durch die Luke ins
Innere geklettert. Er versuchte an den Steuer- und
Kontrolleinrichtungen zu hantieren, aber Rosy schob sich rasch an ihm
vorbei.
    „Das überlassen Sie besser mir", sagte sie. „Ich
habe beim Herflug die Zwerge genau beobachtet. Kümmern Sie sich
um Alaska. Er hat Schwierigkeiten mit seinem Cappin-Fragment.
    „Es geht schon wieder", murmelte der Maskenträger
schwach und schloß die Luke hinter sich.
    Draußen tobten die Tardellianer heran. Sie hatten ihre
Waffen gezogen und richteten sie drohend auf das Beiboot.
    Rosy Dewitte schimpfte vor sich hin.
    „Tut mir leid, Alaska", sagte sie dann
niedergeschlagen. „Ich bringe den Kasten nicht in Gang. Es
fehlt ein Element an dem Steuerpult, das vorhin noch da war.