PR TB 198 Das Tor Zur Tiefe
nichts",
antwortete der mit seiner hohen Stimme. „Ich gehe den Weg über
die Genstrukturen, um mir ein Bild von diesen Typen hier zu machen."
„Vielleicht kann ich Ihnen dabei behilflich sein, Garner",
sagte Rosy Dewitte. „Ich habe eine eigenartige Feststellung
gemacht. Da draußen laufen hunderte von Hurozons herum. Es
können auch über tausend sein. Es sind Männer und
Frauen. Aber ich sehe keine Kinder oder Hurozons, die nach unseren
Maßstäben jünger als etwa fünfundzwanzig Jahre
wären."
Alaska Saedelaere lag auf der Liege und zeigte mit keiner Geste,
ob er das Gespräch der beiden Solgeborenen verfolgte.
Der Biogen-Diagnostiker stand bedächtig auf und ging zu der
Frau an das Fenster. Aufmerksam beobachtete er das Treiben der
Hurozons.
„Vielleicht ist der Platz als heilige Stätte tabu für
Heranwachsende", mutmaße er. Doch plötzlich packte er
Rosy erregt am Arm. „Nein!" piepste er. „Das ist es,
was ich die ganze Zeit nicht verstanden oder einfach übersehen
habe."
Er rannte zurück zu seinem Platz und vertiefte sich in die
Ausrüstung seines Mikroskops.
„In der Tat", entfuhr es ihm dann voller Begeisterung,
die im Gegensatz zu ihrer ungeklärten Lage stand. „Ein
Phänomen der Biologie. Alle Genstrukturen, die zur Arterhaltung
dienen, sind künstlich desak-tiviert worden. Die Hurozons können
sich nicht auf natürliche Weise vermehren."
„Sehr eigenartig", murmelte er.
In diesem Augenblick hob auf dem Platz in der unmittelbaren Nähe
des Brunnens ein großes Geschrei an. Es drang bis in den Raum
der drei Menschen. Besonders ein sich rhythmisch wiederholendes
„Chaf-f iepresto" übertönte alle anderen Laute.
Gespannt beobachteten die beiden Solgeborenen ein seltsames
Schauspiel. Aus der riesigen Wasserfontäne trat ein Hurozon. Er
war völlig nackt. Seine Hautfarbe glänzte in der Nässe
mit sanften hellbraunen Tönen. Der Hurozon blickte sich kurz um.
Dann traten andere hinzu, trockneten ihn ab und hängten ihm
einen Um-hang um.
Ein Bodenfahrzeug glitt auf seinen Antigravpolstern herbei und
nahm den Hurozon auf. Während es davonflog, ebbte der Jubel
wieder ab.
„Haben Sie eine Ahnung", fragte Rosy, „was das
bedeuten soll?"
Graner Indacochea zuckte mit den Schultern. „Wenn es nicht
so unwahrscheinlich klingen würde, so würde ich vermuten,
daß wir soeben die Geburt eines erwachsenen Hurozons erlebt
haben."
„Sie meinen, dieser Wassergott spuckt so mir nichts, dir
nichts, einfach einen Hurozon aus?" Am Klang ihrer Stimme war zu
erkennen, daß sie heftige Zweifel plagten.
„Ich meine gar nichts." Indacochea antwortete ungewollt
schroff. „Aber hier scheinen sehr eigenartige biologische
Verhältnisse zu herrschen. Das beweisen
die untersuchten Genstrukturen. Und wir sind unvermittelt in diese
Situation hineingeraten. Wenn wir dieses Volk nicht verstehen, haben
wir keine Chance, wieder zu entkommen."
Durch die Eigendrehung Rozons verschwanden die neun Sonnen
allmählich hinter den Häusern, die den Platz um der
Wasserfontäne umgaben. Im Unterschied zu Tardell, wo es immer
Tag war, weil zujeder Stunde mindestens zwei Sonnenjeden Fleck dieses
Planeten beschienen, kannte Rozon Tag und Nacht.
Noch zweimal bis zur hereinbrechenden Dunkelheit beobachteten die
beiden Solgeborenen, wie Hurozons dem Brunnen entstiegen.
Yreva brachte den drei eine einfache Mahlzeit. Auf Rosys Fragen
über Chaf f iepresto und die Hurozons, die dem Brunnen
entstiegen, reagierte der Hurozon nicht. Er blickte nur verwundert
auf die Frau, so als ob er damit sagen wollte, daß man über
so selbstverständliche Dinge nicht zu sprechen brauche.
Mit Einbruch der Dunkelheit geschah eine Veränderung mit
Alaska Saedelaere. Sein Cappin-Fragment, das ihm so zu schaffen
machte, beruhigte sich etwas.
Der Terraner konnte wieder klar denken.
Rosy informierte ihn über ihre Beobachtungen und die
Ergebnisse von Indacocheas Untersuchungen.
„Noch kein Lebenszeichen von der SOL?" wollte Alaska
wissen.
Rosy schüttelte den Kopf. „Ich will ehrlich sein, ich
rechne vorerst auch nicht damit. Die Umstände unserer Kaperung
waren zwar nicht ganz zu durchschauen, aber nach dem, was ich
beobachten konnte, sind wir weit von der SOL entfernt worden. Wo soll
man uns denn suchen? Daher meine ich, es ist besser, wenn wir uns
selbst zu helfen versuchen."
„Fluchtmöglichkeiten?" Alaska fiel das Sprechen
noch schwer.
„Wohin? Womit?" fragte Rosy zurück. „Mir
wäre es lieber, wenn wir uns mit den Hurozons
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