PR TB 198 Das Tor Zur Tiefe
Stadt zuflogen, verstärkte
sich noch das rebellische Verhalten des Cappin-Fragments. An seinem
Rand züngelten kleine Flammen ins Freie.
„Was ist mit dem Tardellianer?" wollte Yreva wissen.
Da Saedelaere zu abgelenkt war, um zu antworten, übernahm
dies die kleine Ortungstechnikerin.
„Hier herrscht eine überdimensionale Strahlung, die
einen Teil seines Körpers beeinflußt. Sie sollten sie
abschalten."
Das traf zwar nicht ganz die Wahrheit, aber Rosy wußte
einerseits auch nicht so genau über den fremden Organklumpen im
Gesicht des Terraners bescheid, und andererseits wollte sie den
Hurozon nicht durch unverständliche Erklärungen verwirren.
Yreva blickte die Frau verwirrt an.
„Unsinn", sagte er dann. „Es gibt hier keine
Strahlung. Schließlich sind wir auf Rozon."
Da Alaska zusammengesunken auf dem Boden hockte und Indacochea
sich passiv verhielt, fühlte sich Rosy automatisch in die
Führungsrolle gedrängt. Durch die transparente Kuppel des
kleinen Beiboots beobachtete sie die Umgebung, während die Stadt
der Hurozons rasch näher kam. Äußerlich unterschied
sich diese Welt nur wenig oder gar nicht von Tardell. Auch in den
Pflanzen gab es verblüffende Übereinstimmungen.
Der wirklich gravierende Unterschied wurde ihr offenbar, als ihr
Blick zum Himmel ging. Dort standen dicht gedrängt- so sah es
zumindest aus dieser Position aus - neun Sonnen. Rosy zweifelte keine
Sekunde daran, daß dies die neun Sonnen waren, in deren
Innenraum Tardell, die Welt der Twinzwerge, lag.
Wenn sich Alaskas Zustand bessern sollte, würde sie ihm ihre
Beobachtungen mitteilen.
Das Flugboot erreichte die Stadt und schwenkte zwischen endlose
Reihen von Hochäusern ein, die sich, abgesehen von ihren
Abmessungen, kaum von den flüchtig beobachteten Bauten auf
Tardell unterschieden.
Das Ziel war das Zentrum der Stadt.
Dort wurde eine kreisrunde Fläche von gut zwei Kilometern
Durchmesser sichtbar. Der Platz wurde ringsum von hohen Bauten
begrenzt, die sich, bis auf eine Ausnahme, völlig glichen. Diese
Ausnahme war eine tempelartige Halle, die auf einer Vielzahl von
steinernen Säulen stand. Zu beiden Seiten des Tempels gab es
keine Bebauung.
In der Mitte des Platzes erhob sich ein Gebilde, das Rosy erst
beim Näherkommen als einen gigantischen Springbrunnen
identifizierte. Eine Wassersäule schoß gut zweihundert
Meter in die Höhe und ergoß sich wie ein dichter Teppich
gleichmäßig nach allen Seiten.
Auf dem Platz selbst herrschte reges Treiben. Fahrzeuge
verschiedener Typen bewegten sich auf dem Boden oder in der Luft
kreuz und quer. Dazwischen liefen Gruppen von Hurozons oder einzelne
der Wesen.
Das Beiboot hielt auf eins der gleichförmigen Gebäude zu
und landete auf dem Dach.
Alaska Saedelaere verdrängte für einen Moment die
Qualen, die ihm das Cappin-Fragment bereitete, und blickte sich um.
„Wo sind wir?" murmelte er benommen.
„Du stehst im Anblick des Wassergotts Chaffiepre-sto",
antwortete ihm Yreva und deutete auf die riesige Wasserfontäne.
Seine Stimme hatte einen andächtigen Beiklang. „Das Urteil
des Rates wird euch schon bald erreichen." Sie wurden in das
Innere des Gebäudes gebracht. Das Haus mochte etwa zwanzig
Stockwerke besitzen. Als man sie in eine bequem eingerichtete Zelle
stieß, schätzte Rosy, daß sie sich ungefähr in
der sechzehnten Etage befanden. Die beiden Fenster waren nicht
vergittert. Sie gaben den Blick auf den großen Platz mit der
Wasserfontäne frei.
Yreva entfernte sich wortlos. Indacochea überzeugte sich
rasch davon, daß sich die schwere Tür nicht öffnen
ließ. Während Alaska auf einer Liege niedersank und wieder
seinen Kopf unter den Händen vergrub, setzte sich der
BiogenDiagnostiker an einen Tisch und packte sein Mikroskop aus.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" fragte Rosy den
Transmittergeschädigten. Sie mußte ihre Frage zweimal
wiederholen, ehe Alaska antwortete: „Nein, natürlich
nicht."
Die Frau ging nachdenklich zum Fenster und beobachtete die
Szenerie auf dem großen Platz. Der große Brunnen schien
eine bestimmte Bedeutung für die Hurozons zu haben, denn ständig
befanden sich welche von ihnen in seiner unmittelbaren Nähe.
Chaf f iepresto, der Wassergott, hatte Yreva gesagt. Die Frau
vermutete, daß der Brunnen in den Augen der Hurozons mit dieser
Gottheit identisch war.
Während sie weiter den Platz beobachtete, teilte sie
Indacochea ihre Beobachtungen und Vermutungen mit.
„Für solche Schlußfolgerungen tauge ich
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