PR TB 199 Die Parasiten
und schlitterte über das nasse Gras und
bohrte sich in den Knöchel eines Soldaten. Der Häuptlingssohn
drehte wimmernd den Kopf.
Die Soldaten griffen in die Zügel der Pferde und führten
die Tiere und Wagen zur Seite.
Amtara schrie gellend auf, als sie von zwei Soldaten an den Armen
gepackt wurde. Ein dritter riß die Kleider von ihrem Körper.
Ein anderer preßte seine Hand auf ihren Mund. Man warf sie ins
Gras.
Die Augenblicke, in denen sein Leben erlosch, waren für den
Häuptlingssohn voll schmerzlicher Einsicht. Er sah alles überaus
klar und übertrieben deutlich. Alles andere hatte seine
Bedeutung verloren; die Empfindungen konzentrierten sich auf seine
Frau, der die Soldaten Gewalt antaten.
Er spürte nicht, daß ein Soldat sein Bronzebeil hochriß
und ihm den Schädel bis zum Schulterknochen spaltete... ein
kalter Schmerz löschte alles aus: seine wirbelnden Gedanken,
seine Trauer und Wut, seine lautlosen Schreie und den Schmerz, der
seinen Körper in ein glühendes und zuckendes Etwas
verwandelte. Er starb und fühlte in dieser winzigen Zeitspanne
nichts anderes als eine grenzenlose Erleichterung.
2.
AN PEREMWAH, DEN WESIR DER GRENZTRUPPEN DES OSTENS.
SEIT FÜNFZEHN JAHREN IST DIE HERRSCHAFT VON PHARAO
SEBEKNEFERU VORBEI. HUNDERTE UND ABERMALS HUNDERTE VON HEKA KHASUT
WOHNEN NUN IN UNSEREM REICH. IN TANIS, DAS SIE AUARIS NENNEN,
REGIEREN DIE FÜRSTEN DER FREMDEN. LASSE AB, GEGEN SIE ZU
KÄMPFEN, DENN NUNMEHR SIND SIE UNSERE HERREN IM DELTA. ZIEHE
DICH ZURÜCK VON DER GRENZE, UND WENN DU BEFEHLE ENTGEGENNIMMST
VON DEN
FREMDEN, SO GEHORCHE IHNEN. EIN KLEINER TEIL DES REICHES IST IN
IHRER HAND. DIES SCHREIBT DIR EIN FREUND! VERBRENNE DAS PAPYRUS UND
VERSUCHE, ZU ÜBERLEBEN, WIE WIR ES TUN. VON AAKENEN - RE, DEINEM
BEFEHLSHABER UND FREUND, AM 12. TAG DER JAHRESZEIT ACHET
Peremwah bewegte in einer herrischen Geste die Hand. Die kleine
Rolle fiel ins Feuer und verbrannte augenblicklich. Ein trockenes
Lachen schüttelte den Mann - er sah aus wie sechzig, zählte
aber nur vierzig Sommer. Er lehnte sich in dem leichten Sessel zurück
und blickte unter dem Vordach des Zeltes hinaus in die Sandwüste.
“Zu spät, Freund Aakenen", murmelte er. “Zu
spät. Wärest du hier, so wüßtest du, daß
wir das letzte Gefecht unmittelbar vor uns haben."
Die alte Ordnung im Reich zerfiel ebenso wie die Wälle und
Mauern der alten Befestigungsreihe. Überall sickerten sie
herein, jene Fremden. Wenn der Stützpunkt hier, östlich von
Tanis, aufgegeben werden mußte - und er würde spätestens
morgen früh gefallen sein -, würden die Hirten der
Fremdländer die Stadt endgültig in Besitz nehmen. Peremwah
hatte knapp drei Hundertschaften. Sie waren fast ausnahmslos
Veteranen wie er. Kampferfahren, zäh, von unzähligen Narben
gezeichnet, schlecht ausgerüstet und voller Skepsis, was den
bevorstehenden Kampf betraf.
Das Knirschen von Radfelgen ertönte durch den dünnen,
löcherigen Stoff des Zeltes. Der Anführer stand auf und
ging über die geflochtene Matte aus Binsenstroh hinaus. Der
Späher lenkte die Tiere auf ihn zu. Sie waren satt, ausgeruht
und gestriegelt. Man schonte sie bis zum Beginn des Kampfes.
“Peremwah! Herr!" sagte der Späher mit rauher Stimme.
“Sie sind da. Sie nahmen Aufstellung in der Wüste. Ich
zählte sieben mal zehn Kampfwagen. Ich sah das Blitzen vieler
Waffen."
“Wann werden sie angreifen?" fragte der Alte zurück.
Seit Tagen herrschten hier geradezu unerträgliche Spannung und
Vorbereitungen. Pfeilspitzen und die Klingen der Kampfbeile wurden
geschliffen, bis sie glänzten wie Silber oder Gold. Die
Ausrüstung der Soldaten war den Männern ähnlich; seit
Jahrzehnten benutzt, immer wieder ausgebessert und nichts als gutes,
auf den Anwender abgestelltes Werkzeug. Vielleicht lebten morgen noch
einige Männer. Ihre Werkzeuge aber würden zerbrochen sein.
“Ich denke, daß sie gegen Mittag soweit sind. Du hast
besondere Befehle?"
Der Anführer schüttelte seinen kahlgeschorenen Schädel.
Alles war gesagt worden.
“Keine Befehle. Nur zum letztenmal die Frage. Wollt ihr
kämpfen und sterben, oder sollen wir uns zurückziehen? Wenn
die Kampfwagen dort auftauchen, ist es zu spät."
“Ich habe alle Männer gefragt", sagte der Späher.
Auch er befand sich seit fast zwei Jahrzehnten in dem Vorposten. “Sie
kämpfen."
“Dann werden wir alle sterben", sagte der Anführer.
“Es ist beschlossen. Mit uns stirbt der letzte Widerstand gegen
die Fremden. Es dauert nicht mehr lange, und dann
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