PR TB 203 Rote Sonne Uber Rubin
Leben war unbeschwert und konfliktarm. Selbst die
katastrophalen Strahlungsausbrüche der Sonne veranlaßten
die Menschen nicht, ihre Haltung zu überdenken. Mehr und mehr
wurde das Raumschiff zu einem Denkmal, einem Wahrzeichen, für
viele gar zum Heiligtum.
Das änderte sich erst, als mit der Vernichtung der
unterirdischen Station der Blues offenbar wurde, in welcher Gefahr
die Menschen tatsächlich schwebten. Der unregelmäßige,
durch Omegas Strahlungsausbrüche hervorgerufene Aufruhr der
Natur war bislang als unabwendbares Ereignis angesehen worden, das
verkraftet werden konnte. An die Möglichkeit genetischer Schäden
war zwar gedacht worden, doch gab es bisher keine stichhaltigen
Beweise dafür. Das grauenvolle Schicksal der gestrandeten
Gataser setzte dagegen eindeutige Zeichen. Hier waren Mutanten
aufgetreten, denen die Fremden jede Lebensfähigkeit abgesprochen
hatten. Es gab vielerlei Gründe zu vermuten, daß auch beim
Menschen über kurz oder lang Strahlungsgeschädigte Kinder
geboren werden könnten.
»Wir müssen sogar davon ausgehen«, hatte Susan
LaVern auf einer Konferenz gesagt, »daß wir alle, die wir
auf Rubin geboren wurden, bereits Mutanten sind. Erinnern wir uns
daran, daß es unseren Eltern niemals gelang, in das Sperrgebiet
der Blues einzudringen. Keiner derer, die der zweiten Generation
angehören, hatte derartige Schwierigkeiten. Wir sind anders.
Unser Geist, die Struktur unseres Gehirns hat sich verändert,
und ich bin überzeugt, daß dies eine Wirkung jener
Strahlung ist, die die Blues in die Verzweiflung getrieben hat. Wir
können von Glück sagen, daß nicht auch bei uns
körperliche Anomalien zu beobachten sind. Aber das kann sich
ändern.«
Auf vielen Versammlungen sprachen die Teilnehmer an Chili Scaccias
Unternehmen nach ihrer Rückkehr. Verzweifelt versuchten sie, das
Interesse an einer Instandsetzung des Raumschiffs auf breiter Basis
zu wecken. Die Erlebnisse in der unterirdischen Station hatten ihnen
die Augen geöffnet. Sie hielten es für geboten, Rubin
lieber heute als morgen zu verlassen. Zu groß war die
Unsicherheit, ob sich die Menschheit auf Dauer hier etablieren
konnte, ohne sich damit einer reellen Überlebenschance selbst
zu berauben.
Weite Teile der Bevölkerung brachten den Plänen der
Wissenschaftler Sympathie entgegen. Nachdem die Ergebnisse der
Expedition allgemein bekannt geworden waren, wuchs die Unruhe unter
den Siedlern. Dennoch war die Regierung bislang nicht bereit, dem
Vorhaben die nötige Unterstützung zuteil werden zu lassen.
Zu sehr waren die gewählten Volksvertreter in der Anschauung
verhaftet, keiner galaktischen Gruppierung Gelegenheit geben zu
dürfen, den Planeten zu entdecken und ebenfalls Siedlerschiffe
hierher zu entsenden. Ein Start des Raumers hätte dies
unausweichlich zur Folge gehabt. Die Isolation und der alleinige
Besitzanspruch wogen schwer in der Argumentation der Regierung.
Susan war nicht die einzige, die an dieser Haltung schier
verzweifelte. Es widersprach ihrem demokratischen Verständnis,
den Ausreisewilligen den Versuch der Instandsetzung des Schiffes zu
verwehren.
»Du kannst nichts dagegen tun«, hatte Gene Latham, mit
dem sie seit der Expedition zusammenlebte, kürzlich gesagt. »Wir
haben uns den Beschlüssen zu beugen. Erst die nächsten
Wahlen werden zeigen, ob die Bevölkerung in der Mehrzahl damit
einverstanden war.«
Susan war jedoch nicht die Frau, die ein gestecktes Ziel ohne
weiteres aufzugeben bereit war. Sie und Chili arbeiteten weiter. Mit
großer Vehemenz führten sie ihre Kampagne fort. Jedem, der
es hören wollte, setzten sie sachlich auseinander, worin sie die
Gefährdung sahen, die die Menschen auf Rubin bedrohte.
Schließlich wuchs der Druck der Bevölkerung so stark,
daß der Regierung keine andere Wahl blieb, als die
Reparaturarbeiten zu gestatten.
»Immerhin ein Teilerfolg«, hatte Susan dazu gesagt,
während sie den sechsbeinigen Hund streichelte, der längst
zu ihrem Haustier geworden war. Mit klugen Augen sah sie der Rüde
an. »Viel mehr konnten wir nicht erwarten.«
»Es hilft uns nicht viel«, war Genes Antwort gewesen.
»Selbst wenn das Schiff wieder funktionstüchtig ist,
werden wir keine Starterlaubnis erhalten.«
»Für mich ist es schon wichtig zu wissen, daß es
überhaupt starten kann.«
Lange sah Susan dem Hund in die Augen, der den Blick schweigend
erwiderte. Fast hatte Gene den Eindruck, als wollte das Tier seine
Zustimmung kundtun, als verstünde es, wovon die Rede war.
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