PR TB 206 Die Energiefalle
der Auktion. Dort war nämlich zufällig der Begleiter
des Hageren aufs Bild gekommen, wenn auch nur in mäßiger
technischer Qualität.
„Wie groß kannst du die Bilder machen?“ fragte
Vat und betrachtete ein Bild von sich selbst. Darauf war sie gerade
verbissen damit beschäftigt, sich aus ihrer sonnenverbrannten
Haut zu schälen.
„Kommt auf den Film an“, sagte Ganclar. „Und auf
die Entwicklung. Man kann heute von einem Kleinbildnegativ
Vergrößerungen bis zum hundertfachen des Originalnegativs
machen, ohne daß merkliche Qualitätseinbußen
festzustellen
wären. Darüber hinaus wird die Sache schwieriger, und
Probleme gibt es auch, wenn man die Filme pusht, also ihre
Empfindlichkeitsausnutzung extrem steigert.“
Vat verstand, wie ihr Gesichtsausdruck überdeutlich verriet,
kein Wort, aber sie hörte gläubig zu.
Ganclar suchte die beiden Negative aus dem langen Streifen heraus
und legte das erste Negativ erneut in den Vergrößerer.
Durch Wahl einer anderen Objektiveinstellung erzielte er eine weitaus
stärkere Vergrößerung als im ersten Durchgang.
Von dem Dolch machte Ganclar zwei Ausschnittvergrößerungen,
dann nahm er sich das Bild des Begleiters vor. Hier mußte er
ein paar Tricks anwenden, um an ein brauchbares Bild zu kommen, aber
auch das gelang ihm.
„Dieser Mann“, sagte Ganclar und deutete auf das
fertig entwickelte und fixierte Bild, „war mit dem Toten
zusammen bei der Auktion, und ich bin mir sicher, daß es
derselbe Mann ist, mit dem ich am Morgen den Toten auf dem Platz an
der Treppe gesehen habe.“
Vat betrachtete interessiert das Bild. Die Vergrößerung
war ein wenig körnig ausgefallen, aber ansonsten scharf und gut
erkennbar.
„Ich habe dieses Gesicht noch nie gesehen“, sagte das
Mädchen leise. „Glaubst du, daß er den Toten in den
Brunnen geworfen hat?“
„Möglich“, sagte Ganclar. „Ich weiß
es wirklich nicht, aber ich hoffe es sehr. Ist er nämlich der
Mörder, haben wir vielleicht doch eine Chance, den Fall zu
klären, bevor die Polizei uns erwischt.“
Einen Augenblick lang kam ihm zum Bewußtsein, was er da
sagte und was er tat. Er deckte einen Mordverdächtigen, half ihm
bei der Flucht, griff in die Arbeit der örtlichen Polizei ein,
beschuldigte im privaten Kreis einen zufällig fotografierten
Mann des Mordes -und war selbst vor der Polizei auf der Flucht.
Ganclar nahm sich in diesem Augenblick vor, niemandem etwas von
dieser Geschichte zu erzählen, am wenigsten seinen Eltern. Sie
hätten niemals begreifen können, daß er unter den
gegebenen Umständen gar nicht anders hatte handeln können.
„Hoffentlich haben wir Glück“, sagte Vat. „Du
hast gut gearbeitet.“
Sie gab Ganclar einen Kuß, dann begann sie damit, die Bilder
zusammenzupacken. Ganclar, auch von diesem Aspekt des Unternehmens
ziemlich überrascht, zögerte einen Augenblick und packte
dann ebenfalls zu. Das Labor mußte aufgeräumt werden,
danach suchte Ganclar den Studenten auf, der ihn in das Labor geführt
hatte. Er bezahlte den Verbrauch an Chemikalien und Papier recht
großzügig - vielleicht war er noch einmal darauf
angewiesen, das Labor zu benutzen.
Mac und Giorgio trafen sie am Virte-Brunnen. Sie hatten es
tatsächlich geschafft, ein Hotel aufzutreiben, in dem zwei
Doppelbettzimmer zusammen nur siebzehn Solar pro Nacht kosteten.
Ganclar verteilte die Abzüge, die er von den beiden
wichtigsten Aufnahmen gemacht hatte.
„Wir suchen zweierlei“, sagte er. „Zunächst
einmal diesen Dolch. Seht ihr die Ziselierung am Griff? Dieses
Zeichen erscheint mir unverkennbar. Vielleicht ist es ein antikes
Stück aus einer ganzen Serie - Dolch, Messer, Schwert.
Vielleicht finden wir irgendwo in einem Museum das Gegenstück
dazu.“
„Würdest du in einem Toten eine Waffe stecken lassen,
die Museums wert hat?“ fragte Mac ironisch.
„Ich würde jede Waffe in jedem stecken lassen, wenn es
nötig ist“, gab Ganclar zurück. „Vielleicht
hatte der Mörder keine Zeit, sich die Waffe zurückzuholen,
was weiß ich. Ob gut oder nicht, dieser Dolch ist ein Hinweis.
Und dann dieser Mann -kennt den einer von euch?“
„Nie gesehen?“ lautete Macs Kommentar. Giorgio, der
seit dem frühen Morgen nichts Alkoholisches mehr zu trinken
bekommen hatte, schüttelte nur dumpf den Kopf.
„Jeder bekommt einen Abzug von dem Bild“, sagte
Ganclar. „Wir müssen alle fragen, die sich in der Nähe
der Treppe aufgehalten haben. Auch andere Plätze dieser Art sind
für uns
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