PR TB 207 Das Westrak Komplott
weil irgend
jemand sein Land brauchte. Wozu, zu welchem Zeitpunkt und unter
welchen Umständen, das weiß ich nicht. Aber ich habe fest
vor, es herauszufinden.“
Viley Fred hauste mit seiner Familie, einer jungen Frau und zwei
Söhnen im Alter von acht und zehn Standardjahren, in einer
barackenähnlichen Hütte, an die sich ein Werkzeugschuppen
und eine Garage für seinen Gleittraktor lehnten. Viley selbst
war Mitte Dreißig, hager, sonnengebräunt, mit einem vom
Wetter gegerbten Gesicht, aus dem zwei helle, intelligente Augen
leuchteten. Er trug eine abgerissene Hose, die über den Knien in
Hunderten von Fransen endeten. Als er seine Besucher sah, grinste er.
„Sie werden sich den Umständen entsprechend kleiden
müssen“, war sein Vorschlag. „In soviel Stoff
ersticken Sie sonst.“
Viley Freds Hütte lag am Nordrand des Dschungels. Er hatte
durch Abbrennen und mit Hilfe von Chemikalien eine Fläche von
zehn Quadratkilometern gerodet, von der er jedoch nur 30 Prozent
bebaute. Die Grenze zu Dscho Ingrams Land lag rund drei Kilometer
weiter nördlich. Dscho Ingram war in erster Linie Viehzüchter
gewesen. Mehr als vier Fünftel seiner Liegenschaften bestanden
aus Weideland; aber selbst das verbleibende knappe Fünftel
stellte mit einem Flächeninhalt von mehreren hundert
Quadratkilometern manche sogenannte Riesenfarm in den Schatten.
Susa Fred, die junge Frau, begrüßte die Gäste mit
natürlicher Freundlichkeit. Die beiden Kinder, an Besucher nicht
gewöhnt, waren zunächst scheu, entwickelten
jedoch bald eine gewisse Zutraulichkeit. Viley Fred servierte den
Neuankömmlingen ein überaus erfrischendes, leicht
alkoholisiertes Getränk, das er selbst braute. Langlon Brak
brachte die Sprache auf Vileys Nachbarn im Norden, Dscho Ingram.
„Dscho und ich, wir kamen gut miteinander aus“,
erzählte Viley. „Er war nicht so aufgeblasen wie die
Verwalter auf den anderen Gütern. Er lieh mir die Geräte,
die ich zum Roden brauchte. Ich baue an, was wir zum Leben brauchen,
und darüber hinaus ein paar Hektar Büschelnüsse,
Hartflachs und Grünkorn. Den Überschuß kaufte Dscho
mir ab. Ich bekam dafür nicht, was ich auf dem Westraker Markt
erzielt hätte, aber dafür entstanden mir auch keine
Frachtkosten.“ Er kratzte sich am Kopf. „Jetzt, fürchte
ich, ist das alles vorbei. Entweder finde ich meinen eigenen
Frachtunternehmer, oder das Zeug muß einfach verrotten.“
„Wer leitet jetzt Dscho Ingrams Betrieb?“ erkundigte
sich Langlon.
„Ich weiß es nicht. Seit ich von Dschos Tod hörte,
bin ich nicht mehr drüben gewesen. Wahrscheinlich einer von
diesen hochnäsigen Verwaltern, wie sie auf anderen Gütern
herumhocken.“
„Wie stand Dscho Ingram mit den übrigen Verwaltern und
Gutsbesitzern?“ fragte Louisa.
„Viley - die Sonne!“ sagte Susa Fred in diesem
Augenblick.
Viley senkte den Kopf und starrte vor sich hin zu Boden, als hätte
er Louisas Frage gar nicht gehört.
Langlon sah unwillkürlich auf, als er Susas Worte hörte.
Der riesige, rotglühende Sonnenball hatte den Horizont berührt
und schickte sich an zu versinken. Es war ein atemberaubender
Anblick: das wolkenlose Firmament von goldenen und rosigen Farbtönen
überhaucht, der rasch versinkende Glutball der Sonne, dessen
Leuchtkraft das Auge kaum mehr schmerzte, und die violetten Schatten,
die aus dem Osten heraufkrochen und sich mit dem Gold und Rosa zu
einem unbeschreiblichen, tiefen Smaragdgrün vereinigten.
Susa Fred und die beiden Kinder saßen am Tisch, auch sie mit
gebeugten Köpfen und andächtig. Das Geräusch der
Klimaanlage verstummte plötzlich. Susa stand auf und öffnete
zwei Fenster. Ein erfrischend kühler Luftzug wehte durch den
Raum. Viley sah auf.
„Verzeihung, ich wollte nicht unhöflich sein. Aber
hierzulande ist die Hitze eine derartige Plage, daß wir abends,
wenn die Sonne untergeht, den Beginn der kühlen Stunden mit
einem Gebet begrüßen.“ Er sah verlegen von einem zum
anderen. „Ich hätte Sie darauf aufmerksam machen sollen.“
Langlon wollte ihm versichern, daß sich niemand verletzt
fühlte. Aber Viley kam ihm zuvor und bewies, daß er über
seiner Andacht den roten Faden der Unterhaltung nicht verloren hatte.
„Es ist merkwürdig, daß Sie ausgerechnet danach
fragen sollten“, sagte er. „Als ich Dscho zum letzten Mal
sah, war er eigenartig bedrückt. Das fiel einem sofort auf,
müssen Sie wissen. Dscho war nämlich sonst ein lustiger
Kauz, immer zu Spaßen aufgelegt, stets guter Laune. Ich
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