PR TB 217 Das Mittelmeer Inferno
sah, daß Nestors Haar
silbern, fast weiß war, fast von der Farbe meines eigenen
Haares. Plötzlich sah er älter und erfahrener aus.
„Hilaeira, die Vertraute von Charis, begrüßt
dich, Atlan. Sie wird für dich und deinen Freund sorgen, solange
ihr auf Keftiu seid. Und für mich, denke ich, auch ein wenig."
Die Frau trug ihr Haar dicht an den Kopf gewunden. Ihr weißes
Gewand, durch Bronzeschmuckstücke an den Schultern
zusammengehalten, reichte bis zu den Füßen, die in
Sandalen mit geflochtenen Riemen steckten. Sie breitete die Arme aus
und sagte mit heller Stimme:
„Willkommen, Atlan. Du siehst so aus, wie Charis dich
geschildert hat."
Sie wandte sich an Ptah, der sie hingerissen mit seinen großen
Augen anstrahlte.
„Und du bist Ptah-Sokar, der Mann aus Khem. Willkommen auch
du. Ihr werdet alles finden, was kretische Gastfreundschaft euch
bieten kann."
„Wenn sie der Schönheit der redegewandten Herrin des
Hauses entspricht", versuchte ich ein ehrlich gemeintes
Kompliment, „wird sie uns für die Entbehrungen der rauhen
Seefahrt in voraus entschädigen."
Hilaeira deutete ins Innere des Hauses. Nach einigen Schritten
umgab uns eine barbarische Pracht, die ihren Ausdruck fand in
herrlich geschnitzten Balken, dicken Wollteppichen, zahllosen Fellen,
die aneinandergeheftet waren, durch Schilde, die im Halbdunkel matt
glänzten und durch Öllampen, die brennend gegen das Licht
ankämpften, das durch runde Rauchabzugsöffnungen und durch
schwere Holzläden hereinsickerte. Das Haus würde mühelos
einer Belagerung trotzen können, und dafür war es wohl auch
einst errichtet worden. Es roch stark nach kaltem Rauch und zahllosen
anderen Dingen; das Haus verströmte die Gerüche wie ein
großer, lebender Organismus. Hilaeira zog den schweren Vorhang
zur Seite und wies ins Innere des Raumes.
„Es ist der schönste Platz des Hauses. Ich hoffe, du
fühlst dich wohl."
Vermutlich waren die Häuser Keftius für das Leben am
Abend und in den Nächten gedacht und auch als Schutz vor Hitze
und Winden. Ihnen fehlte die lichtdurchflirrte Kühle der Bauten
am Nil und an anderen Küsten des Meeres. Ich stieß den
Holzladen auf. Er schwenkte an ledernen Scharnieren nach draußen.
Sonnenlicht zeichnete ein grelles Trapez an die gekalkte Wand.
„Ich bin", sagte ich nachdenklich, „noch
einigermaßen sprachlos. Entschuldige, wenn mich mein Unwissen
Fehler machen läßt. Was sagte Charis über mich?"
„Daß dein Freund", erwiderte die dunkelblonde
Frau und berührte das Doppelaxtamulett an ihrer Brust, „und
du wichtige Männer, große Krieger und Wissende seid. Sie
wird versuchen, euren Weg vorzuzeichnen und vorzubereiten. Auch sie
ist Bestandteil eures Orakels." „Werden wir sie treffen?"
fragte ich.
Unschlüssig hob Hilaeira die Schultern.
„Ich weiß es nicht. Darüber sprach sie nicht mit
mir. Sie ist nach Sparta unterwegs."
„Nach Sparta. Du kennst den Inhalt des Orakels?"
„Heute abend werden wir miteinander sprechen, in der Halle
und bei einem langen Mahl. Ihr werdet zu tun haben, Ptah und du. Ruft
nach mir, wenn ihr etwas braucht."
Eine Menge von Mägden, Dienern, Leibeigenen und Sklaven,
ebenso die Männer, die Nestor mitgebracht hatte, schleppten
unser Gepäck ins Haus. Ptah erhielt den Raum neben meinem
Zimmer. Ein Bad und ein primitiver Abtritt befanden sich einige
Schritte weit entfernt. Der Geruch heißen Wassers und
brennenden Holzes bewiesen, daß man für uns Badewasser
vorbereitete.
Ich betrachtete das Durcheinander der Gepäckstücke, gab
mir einen Ruck und fing an, eine kleine Truhe auszupacken. Wie fast
erwartet, fand ich Karten und getarnte Gebrauchsgegenstände,
alle jene Dinge, die aussahen, als wären sie in der herrschenden
Kultur entstanden und von heimischen Handwerkern hergestellt worden.
Die Karten sämtlicher Küsten des Meeres waren teilweise in
arkonidischen Schriftzügen beschriftet. Sie zeigten in Form von
Luftaufnahmen jedes einzelne Haus an den Ufern, jeden Weg und jede
Siedlung. Sie schienen auf echtem Papyrus geprägt zu sein, und
ich konnte sicher sein, daß sie verblassen würden, wenn
unsere Mission beendet war.
Dolche waren als Lähmstrahler zu verwenden, sie bestanden aus
bestem Arkonstahl und sahen aus wie aus Bronze gegossen. Ich fand
Salben und Verbandszeug, Medikamente und ein herrliches Kampfbeil, in
Wirklichkeit ein Hochenergiestrahler. Vorsichtig und mit Bedacht
sortierte ich die Gegenstände und merkte mir ihren mehrfachen
Verwendungszweck. Eine
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