PR TB 227 Wolken Des Todes
schlug vor:
„Versuchen wir, herauszufinden, wie ES diese wunderbaren Dinge
herstellt und hierher schafft."
Ocir-Khenso lachte laut auf und rief:
„Wir werden vielleicht die Wolken besiegen können, aber
das finden wir niemals heraus."
Wir grinsten uns verlegen an und gingen zurück zu Atlan und
Charis. Das Boot, das in Wirklichkeit ein Gleiter war, hatten wir
einige tausend Schritte von unserem Haus entfernt in einer
zerfallenden Scheune gefunden. Inzwischen waren wir mit den Waffen
und der Ausrüstung vollkommen vertraut, ebenso wie mit der
Kleidung, den Bräuchen dieser Zeit und unserer eigenen Kraft.
Unsere Nerven waren erregt; es schien fast, als ob wir dem Abenteuer
mit gewisser Neugierde entgegensehen würden.
Atlan und Charis kamen uns entgegen. Sein Arm lag um ihre
Schultern. Jede Bewegung der beiden und der Ausdruck ihrer Gesichter
strahlten ruhiges, stilles Glück aus. Ich beneidete Atlan -
immer war er es, der die Liebe der klügsten und schönsten
Frauen genoß. Um mich versammelten sich all die Dienerinnen,
die Tänzerinnen und die exotischen Sklavinnen. Nicht daß
ich mehr als nur flüchtigen Neid oder vielmehr Bewunderung
verspürte - aber so war es. Atlan deutete unsere
Entschlossenheit richtig, und Charis goß einen Finger hoch
frisches Bier in einen Becher, den zweiten füllte sie bis zum
Rand. Gierig versenkte Ocir seine Nasenöffnungen in den Becher.
„Morgen früh? Oder heute nacht?" fragte Atlan. Wir
ließen uns in leinenbespannte Sessel fallen. Der Stoff
knirschte unter dem schweren Körper Ocirs.
„Wir können nach den Sternen navigieren", schlug
Ocir vor. „Ich, kann es."
„Mit welcher Zuverlässigkeit?" Charis schien
seiner Selbstsicherheit nicht ganz zu trauen. Ohne beleidigt zu sein,
sagte Ocir nach einem fauchenden Geräusch, mit dem er die Luft
einsog:
„Mit mehr als neunundneunzig von hundert Teilen, Charis. Ich
bringe uns alle sicher bis an die Stelle, an der wir eintauchen."
„Einverstanden!" Atlan knurrte etwas und schien die
Sicherheit Ocirs für selbstverständlich zu halten. „Heute
nacht. Überdies ist der Mond fast voll. Wir haben gutes Licht."
Es gab nicht mehr viel zu sagen. Nach Mitternacht schlichen wir
uns davon, einer nach dem anderen, voll ausgerüstet und
bewaffnet, als zögen wir in den Krieg. Durch die wehenden
Vorhänge, unter den Schilfdächern, entlang des Plattenwegs
und am Teich voller Seerosen entlang, dann auf den schmalen Weg
zwischen dem Hirsefeld und dem Korn, dessen Halme sich wispernd
aneinander rieben. Weißes Mondlicht lag auf allem, scharfe
Schatten zeichneten sich ab. Ocir führte uns an, er bewegte sich
mit der absoluten Sicherheit eines nachtjagenden Tieres.
Die Umrisse des Schuppens tauchten auf. Wir rissen einige morsche
Binsenmatten zur Seite, schalteten winzige Lichter ein und kletterten
in das Boot. Es sah aus wie aus Leder, Holz und Binsen gefertigt, aus
Brettern und bronzenen Verbindungen. Ocir klappte eine Art Kiste auf,
hantierte an Hebeln und schob das Gleiterboot langsam nach vorn, ließ
es einige Handbreit aufsteigen und rammte eine weitere Matte nieder.
Dann waren wir frei, stiegen auf die Höhe eines Bogenschusses
und schwebten nach Südosten.
Klick. Über dem Boot spannte sich eine längliche,
durchsichtige Blase. Das Summen und Fauchen des Fahrtwinds hörten
schlagartig auf. Der Mondroboter sagte:
„Ich bringe uns bis zur Morgendämmerung bis kurz hinter
den See bei Rapiqu. Dort werden wir unsere Reise im Fluß
fortsetzen."
„Ausgezeichnet", meinte Atlan. „Sieh dich vor,
daß du nicht mit mythologischen Vögeln zusammenstößt."
„Es ist schwer, darauf eine gute Antwort zu geben",
meinte Ocir verdrossen. Er ließ das summende, vibrierende
Gleiterboot noch höher klettern und schlug über der Wüste
fast genau Ostkurs ein.
Zu meiner Überraschung sagte Charis übergangslos nach
einer Weile:
„Die Stunde heißt in der Sprache Ägyptens ,die
Vorübergehende'. Das Jahr ist ,das sich Verjüngende'. Diese
Menschen kennen nicht die Sehnsucht nach einem Jenseits in der Zeit.
Selbst ihre Götter leben unmittelbar in der Zeit. Wir haben wohl
eine andere Einstellung davon, zumal, wenn es uns wieder
einschläfert."
„Leider muß ich dich verbessern", warf Atlan
nachdenklich ein. Djet und nechech bezeichnen in den liturgischen
Gesängen Vorgänge, die sich ständig wiederholen -also
Sonnenaufgänge, einen neuen Pharao, Geburt und Tod - oder solche
Ereignisse, die zur Vollendung gekommen sind. Nechech bedeutet
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