PR TB 227 Wolken Des Todes
Ehrfurcht erstarrt. „Schon jetzt sehen alle
Menschen im Land, daß die Wolke zerrissen ist."
Als die Sonne jenseits der östlichen Kante der
scheibenförmigen Wolke verschwand, erschien ihre Helligkeit in
den Löchern und Rissen über uns. Die westlichen Kanten und
Wolkenschründe lagen im hellen Licht der waagrechten Strahlen.
Immer mehr blaue Flächen tauchten auf - wir sahen endlich den
Himmel über der Wolke. Es war, als würde sich schmutziges
Wasser klären. Loch um Loch erschien, die Öffnungen flössen
quälend langsam ineinander über, und in winzigen
Abschnitten verschwand die Dunkelheit vom Land. Atlan riß sich
endlich von dem Anblick los und ordnete die Rückfahrt an.
„Und nun habe ich eine Botschaft für euch",
entschloß sich der Schreiber mit strahlendem Gesicht zu
offenbaren. „Du weißt, daß in Theben der andere
Pharao herrscht. Eine Barke ist für euch bereit - sie wird euch
schnell und ohne Strapazen nach Tanis bringen. Die Herrscher haben
sich entschlossen, ihren Unfrieden euretwegen zu vergessen."
„So wird es geschehen!" stimmte Ptah-Sokar zu.
Die Gespanne und die Reiter setzten sich in Bewegung. Atlan und
seine zwei Freunde verabschiedeten sich, indem sie jedem Bauern,
Helfer und Handwerker auf die Schulter schlugen oder sein Handgelenk
schüttelten. Die Männer jubelten, bis wir hinter den Felsen
verschwunden und den halb zugewehten Pfad erreichten.
Ich drehte mich in meinem Gespann herum und warf einen letzten
Blick in die Schlucht. Sie lag da, als sei nichts geschehen. Der
Sand, der das Nilland beherrschte, hatte wieder seine Herrschaft
angetreten, die aus ferner Vergangenheit bis in die weite Zukunft
reichte.
5.
Wir erreichten die Nilbarke gegen Mittag.
Da wir wirklich jede noch so winzige Einzelheit zu deuten
versuchten, sahen wir uns um. Ununterbrochen kommentierte das
Extrahirn. Der Robot speicherte einen neuen Datenstrom. Die
Lichtmenge unter der fleckigen Riesenwolke nahm seit Sonnenaufgang
tatsächlich zu; immer wieder brachen gigantische Balken reinen
oder durch Wolken gefilterten Sonnenlichts schräg durch die
Löcher und Spalten. Sie badeten den Boden mit Licht und Wärme.
Menschen tauchten immer zahlreicher auf. Sie schaufelten Sand aus den
Kanälen, stocherten in den erbärmlichen Feldern und warfen
uns scheue Blicke zu.
Dos Leben, kommentierte der Logiksektor, wird sich schnell
erholen. Die Menschen brauchen Zeit, um sich an den neuen Zustand zu
gewöhnen. Sie sind arm, abergläubisch und von solchen
Katastrophen bis ins tiefste Mark getroffen.
Die Barke lag an einem sandverwehten Kai. Drei Ruderer und der
Steuermann standen auf dem Deck, die weißen Riemen waren
senkrecht gestellt. In diesem Augenblick stach eine senkrechte
Lichtsäule herunter, badete die Barke, einen großen Teil
des Nils und einige Gebäude und sandige, vertrocknete
Parkanlagen in grelles Licht. Die Reiter und die Gespanne bogen auf
die Hafenanlage ein. Vier Männer standen neben der Laufplanke
der Barke. Die Reiter bogen ab und sprangen aus den Sätteln. Nur
Maliu-Aaters Gespann polterte weiter, an den Männern vorbei.
„Halt!"
Drei magere Priester fröstelten neben der Barke. Ein
pharaonischer Beamter, der die Siegel des Großen Hauses von
Theben trug, kam auf uns zu. Die Soldaten packten wortlos unsere
Ausrüstung und verstauten sie im Bauch des schlanken Schiffes.
„Ein böses Fieber warf den Herrscher auf das
Krankenlager", sagte der Wesir. „Sonst stünde er
hier. Man sagte, daß ihr schnell zurück nach Tanis wollt,
und so schickte er mich. Überall in unserem Reich stehen frische
Ruderer mit starken Muskeln für euch bereit."
Ocir-Khenso deutete zum Himmel und rief laut:
„Ihr seht, daß die Sonne wiederkommt. Schon im
nächsten Jahr wird auch die Erinnerung an die Wolke verschwunden
sein."
Die Priester des Amuntempels näherten sich demütig,
während die Soldaten die Gespanne wegführten und der
Schreiber die pharaonische Standarte vom Wagenkorb löste.
Natürlich erhielten wir überschwengliche Worte des Dankes,
und inzwischen starrten auch einige hundert Frauen und Männer zu
uns herüber. Es würde ein gigantisches Maß an Arbeit
bedeuten, alle Schäden in diesem Gebiet zu beseitigen. Die
Priester segneten unsere Abfahrt mit demütigen Gesten und
erhobenen Armen. Ptah-Sokar sprach an die Soldaten, die den langen
Weg mit ihren Gespannen zurücklegen würden,
kameradschaftliche Worte der Anerkennung. Der Schreiber sprang an
Deck und rief einige scharfe
Weitere Kostenlose Bücher