PR TB 227 Wolken Des Todes
könne er die
Dunkelheit mit seinen Augen durchbohren.
„Die Säule war in Vergessenheit geraten", rief er
durch den Lärm. „Wie aber soll eine Säule die Wolke
besiegen, Atlan?"
„Warte und sieh!" rief ich zurück. „Sind die
Nomaden wirklich eine Gefahr für uns?"
„Nur wenn sie zu zahlreich sind. Wir sind so früh
aufgebrochen, weil sie nachts nicht anzugreifen wagen."
Am Nachmittag des dritten Tages tauchte vor uns ein Wald auf. Eine
seltene Erscheinung im Schwemmland des Uruttu. Wir waren fast drei
Tage lang in einem Gebiet unterwegs gewesen, das von Marduks Zorn
mehr als nur gestraft worden war. Alles, was ein Land ruinieren
konnte, schien hier vorübergezogen zu sein. Heuschreckenschwärme
hatten die Ernte in dem regenarmen, heißen Gebiet vernichtet.
Das karge Land steigerte seine abweisende Natur bis ins
Unerträgliche. Staubstürme warfen sich uns entgegen und
verwischten die Konturen der Wege, Windhosen, die prasselnden Sand
mit sich führten, rasten wie Irrwische über die Lehmbänke,
steter Wind wehte aus Nordwesten, brachte wütende Regenschauer
mit sich, die uns bis auf die Haut durchnäßten.
Gipsplatten und Sandsteinbänke, die leeren Täler ehemaliger
Flüsse oder periodischer Wasserläufe hielten uns auf,
kleinere Beben ließen die Erde erzittern. Die Soldaten hielten
sich an den wenigen Brunnen auf und versorgten uns mit frischem
Wasser, das meist leicht schweflig schmeckte. Wir hielten uns mit
Hilfe unserer Nahrungskonzentrate bei Kräften. Wir sahen, daß
sich die Krieger Akkads mit Nomaden wütende Kämpfe
geliefert hatten; es ging um den vorübergehenden Besitz der
Brunnen.
Und ständig befanden wir uns unter der lichtundurchlässigen
Scheibe dieser verfluchten Wolke. Nur früh und abends gab es so
etwas wie natürliches Licht, in dem die Unterseite des
wuchernden Pilzes leicht grünlich, fast metallisch, schimmerte.
Schon allein für die Augen war der Wald eine Erholung.
Denke an die Photographien, sagte der Logiksektor. Im Zentrum des
Waldes steht der Tempel.
„Wir waren sehr schnell", rief der Priester. Er war
ebenso erschöpft wie wir, ebenso schmutzig und verwahrlost.
„Aber unsere Soldaten waren schneller."
An vielen Stellen dieses seltsamen Waldes bewegten sich Reiter,
Kampfwagen und Soldaten zu Fuß. Der Wald war nicht grün -
Blätter, Äste und Zweige waren von weißlichbraunem
Staub bedeckt. Es schien hier seit Monden nicht geregnet zu haben.
Flüchtig dachte ich daran, daß ich mir zur Aufgabe gemacht
hatte, den Barbaren dieser Welt Zivilisation und Kultur, Kunst und
Wissenschaft näherzubringen. Welch zynische Vorstellung! Sie
hatten zu tun, allein den nächsten Tag zu erleben!
„Ich hoffe, wir brauchen die Krieger nicht", sagte ich
und sprang, als durch die Zweige und Stämme Mauern und Säulen
zu erkennen waren, mit weichen Knien aus dem Wagen. Schwankend ging
ich näher heran, meine Freunde folgten, und nach einigen
Schritten hängte sich Charis schwer an meine Schulter.
Ocir schleppte unser Gepäck vor uns her. Soldaten schlugen in
schweigender Erschöpfung Zelte auf und breiteten Futter für
die Pferde auf dem Boden aus. Wasserschläuche wurden geöffnet,
Männer suchten nach dem Brunnen, den es hier geben sollte. Wir
gingen auf den Tempel zu. Es war ein bescheidenes Bauwerk, in schönen
Proportionen und aus hellem Sandstein, der an vielen Stellen durch
dünne Basaltplatten geschützt wurde. Die Säulen waren
mit verschiedenfarbigen, gebrannten Tonziegeln verziert und hatten
vermutlich einen Sandsteinkern. Wir traten durch ein sechs Schritt
breites Tor in den rechteckigen Innenhof.
„Das ist sie!" stellte Ptah-Sokar fest. „Eine
neue Aufgabe für Ocir."
Vor uns ragte die Säule in die Höhe. Ihre kantige Spitze
war höher als die Bäume der Umgebung und die Zinnen der
inneren Mauern. Ich klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die
Gestalten, Schriftzeichen und symbolischen Fabeltiere des Reliefs,
das in breiten Bändern die Säule umlief. Es war ein heller,
sandsteinähnlicher Stein. Stein? Ich war sicher, daß es
sich auch hier um eine Metallegierung handeln mußte.
„Lenke du", sagte Rico in arkonidischer Sprache
halblaut zu mir, „die Priester und Soldaten ein wenig ab. Ich
werde das Projektil vorbereiten. Der Stein ist nur Tarnung für
Unwissende."
„Ich habe es vermutet", brummte ich und fühlte,
wie mein Zellschwingungsaktivator arbeitete und meine Erschöpfung
bekämpfte. „Einverstanden."
Ein Soldat stolperte in den Tempel, wedelte mit
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