PR TB 229 Im Tödlichen Schatten
alle aktuellen Buchspulen zerstört
und auch der laufende Text vernichtet ist, gehe ich auf deinen
Vorschlag ein.«
»Welchen?«
»Ich ziehe mich zurück und ersetze deinen
Hilfeschrei-Text in den Speichern durch jene Informationen, die ich
abgezogen habe. Und Atlan soll weitersprechen. MEDO-CENTER wird
wieder funktionieren und aufnehmen. Ich werde kontrollieren, in
welchem geheimen Speicher die Erzählungen verborgen sind.«
»Aber dabei solltest du weitaus geschickter als heute
vorgehen. Das gesamte Neue Einsteinsche Imperium leidet unter
schwindsüchtigen Computern, dank deiner geneigten Hilfe.«
»Ironie«, sagte ES. »Hervorragend. Dein Name?«
Rogier schrieb ihn in die Tastatur.
Dann sagte er:
»Ich bin ein alter, müder Mann, ES. Für die
Menschheit waren Atlans Schilderungen einer Welt, die es so nicht
mehr gibt, ein historisches Ereignis von hohem Rang. Es ist deine
Sache, wenn du die Berichte unterdrücken willst; wir werden uns
nicht wehren. Aber sorge dafür, daß nur du und ich und
jener Speicher die Garantie dafür bieten, daß Atlan
endlich aus dem Tank herauskommt und gesund wird. Seine Freundin hat
schon graues Haar bekommen über dem langen Warten.«
Wieder entstand eine Pause. Chavasse sah, daß mehr und mehr
Bereiche der Großcomputer zögernd zu funktionieren
begannen. Ihre Speicher wurden gefüllt und überflutet; das
Sortieren schien ES viel Arbeit zu machen. Allerdings vergingen bei
all diesen schwierigen Operationen nur Dutzende von Sekunden.
Schließlich erklärte ES, unwillig, wie es schien:
»Ich sehe ein, daß ich nicht an der falschen Stelle
Schicksal spielen darf.
Atlans Tod ist weder vorgesehen noch wünschenswert. Sein
Hilferuf von damals, den ich rund neunhundertachtzig Jahre vor der
Zeitenwende nicht hörte, hat mich in meinem Entschluß
schwankend gemacht. Eine Warnung, Chavasse!
In einigen Tagen komme ich wieder und führe eine Kontrolle
durch. Ich hoffe, in den Speichern keine zugänglichen Daten mehr
zu finden.«
Leichtfertig versicherte Chavasse:
»Darauf kannst du dich verlassen. Ende?«
»Ende«, schrieb ES auf die rund dreißig
Monitoren in Chavasses Arbeitsraum. Betäubt schob Rogier einige
Regler in die Nullstellung zurück. Dann aktivierte er den
Interkom und sagte zu Ghoum-Ardebil und Cyr Aescunnar:
»Setzt Atlan die SERT-Haube wieder auf. Den Rest erledige
ich. Er kann weitersprechen, und MEDO-CENTER überwacht ihn
wieder. Später über alles mehr und interessante
Einzelheiten. Klar?«
»Verstanden«, sagte Ardebil verwirrt. Aber er führte
Rogiers Anweisung aus. Chavasse lehnte sich ächzend zurück
und sagte sich, daß ES es eigentlich besser wissen müßte.
Oder nicht?
Unzählige Male mußte ES während seiner rastlosen
Suche und Vertilgungsaktion auf das Funktionsschema des
Computerverbands von Gäa gestoßen sein. Dabei war klar zu
erkennen, daß jeder wichtige Rechner an das Subconscious-Center
angeschlossen war. Dies war seine, Chavasses, Sicherung dafür,
daß MASTER-CONTROL, GALAX-SPEED oder wie immer sie heißen
mochten, ein Entlastungsventil besaßen. Was für einen
Menschen übermäßiger Alkoholgenuß war, die
Beichte bei einem Freund oder Psychiater, ein anderer, gefährlicher
Verdrängungsmechanismus, das Zertrümmern von Mobiliar,
cholerische Ausbruche oder andere Anfälle, das war für die
Computer Subconscious-Center, die Zusammenballung des positronischen
Unterbewußtseins.
Dort waren Atlans Schilderungen hervorragend aufgehoben;
gleichwertig unter ähnlichen Datenblocken.
»Ich unterstelle ES«, murmelte Chavasse listig und
begann sein ausschließliches Interesse auf die Hosteß zu
konzentrieren, »daß ES dieses Subconscious-Center kennt.
Aber schließlich kann ich nicht verlangen, daß ES mir
erklärt, wie ich ES betrügen kann.«
Er gab MEDO-CENTER eindeutige Anweisungen und schaltete dann einen
direkten Kanal in jenen Speicher. Er wartete. Aber zu seiner
Überraschung ertönte in seinem Verstand nicht das hämisch
donnernde Gelächter von ES. Vielleicht »las« ES
gerade einige Niederschriften jener Abenteuer, in denen ES keine so
gute Rolle gespielt hatte. War es möglich? ES war eitel? War
darauf bedacht, gegenüber der Menschheit in einem besonders
strahlenden Licht zu stehen?
Unwahrscheinlich, sagte sich Chavasse. Aber immerhin möglich.
Auch Götzen, Götter und übergeordnete Prinzipien haben
ihre Schwächen.
»Selbst ich«, murmelte er und legte die Hand auf das
Knie der Hosteß.
»Erstens: wie heißt du? Zweitens:
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