PR TB 229 Im Tödlichen Schatten
große Insel zwar bewohnt, an dieser
Stelle lebten jedoch keine Eingeborenen. Die erste Ratlosigkeit nach
dem Erschrecken war vorbei; wir fingen an, das Gebiet für uns in
Besitz zu nehmen. Ptah, Ocir und ich studierten die übriggebliebenen
Karten und Bilder. Auf einem wenig bewachsenen Hügel mitten im
Dschungel stand ein Bauwerk, das wie ein Tempel aussah. Der Hügel
zeigte breite Reihen von Stufen. Das Bauwerk war
einfach und zeugte nicht von großen handwerklichen
Fähigkeiten der noch unbekannten Eingeborenen. Ich spreizte die
Finger, maß auf der Karte die Entfernung und fragte: »Wie
lange brauchen wir bis zu diesem. Tempel?« Vor dem kubischen
Bauwerk, das an einigen Stellen bereits von wuchernden Büschen
und kleinen Bäumen zerstört wurde, standen drei Säulen.
Auf dem Bild war es nicht deutlich zu erkennen, aber sie schienen aus
kleinen Lehmziegeln erbaut zu sein. Einige ausgetretene Pfade führten
aus unterschiedlichen Richtungen auf den Fuß des Hügels
zu. Sie kamen aus dem dichten Wald, der hier eine natürliche
Lichtung bildete.
»Vier, fünf Tage. Es gibt keinen steinernen Weg
dorthin.«
»Vermutlich aber Tierpfade«, meinte Ptah. »Mit
fünfzehn Männern sollten wir es schaffen. Proviant für
ein Dutzend Tage?«
»Und alles, was wir an Beilen und Äxten haben!«
Wir brauchten niemanden zu bitten. Die Männer meldeten sich
freiwillig und rüsteten sich aus. Eine Jagdgruppe kam mit
reicher Beute zurück. Das Schiff hatten wir sicher vertäut
und hoch auf den Strand gezogen. Der Sand und die langgezogenen
Wellen vor der Insel lagen im schmutzigen Zwielicht unter der
Sporenwolke. Erst in den letzten Tagen hatte der Rand der Wolke diese
Insel ereicht und überzogen, denn die Zer-Störungen waren
kaum zu sehen. Der Dschungel lebte noch, obwohl wir immer wieder aus
dem Innern der Insel Donnergrollen hörten. Es war heiß und
kochend schwül. Jetzt schien es kurz vor dem einbrechenden Abend
zu sein, denn unter den Ausläufern der Wolke drang aus dem
Westen eine gelbe Helligkeit heran.
»Morgen bei Sonnenaufgang brechen wir auf!« bestimmte
ich. »Ruht euch aus.«
Ein paar von uns hatten versucht, in den Dschungel einzudringen.
Es war ein Regenwald, dessen Stämme weit auseinanderstanden. Am
Rand des Waldes, hinter der einsamen Hütte, wucherten überall
dort, wo es Luft und, früher, Sonnenlicht gab, zahllose
Pflanzen. Riesige Blüten verdorrten, um jeden Stamm schlangen
sich saftige Schmarotzerpflanzen, breite Vorhänge aus Lianen und
Dornenranken hingen von den Ästen herunter. Aber der erste
Eindruck trog. Nur etwa drei Bogenschuß weit konnten die
Phönizier in den Wald eindringen, dann stellte sich ihnen die
Barriere aus umgestürzten Baumriesen, undurchdringlichem
Gebüsch, Bodenspalten und Felstrümmern in den Weg.
Schlangen pendelten angriffslustig von den Ästen, riesige
Schmetterlinge gaukelten hin und her, und die vielfarbigen Vögel
mit dem prunkvollen Federschmuck schrien gellend; es klang wie
schrille Flüche, berichteten die Männer.
»Ich rechne damit, daß auch die Eingeborenen
geflüchtet sind. Wohin?« sagte ich, als wir um das
Lagerfeuer saßen. Wir hatten es mitten auf dem leeren Strand
angezündet, um gegen Überfälle sicher zu sein.
»Ich denke, sie sind in den Wald geflüchtet. Oder an
andere Ufer. Es scheinen Jäger zu sein. Nirgends sahen wir
Felder!« antwortete Ocir. Er stand hochaufgerichtet neben dem
Feuer und drehte wachsam seinen Kopf.
Er würde uns rechtzeitig warnen, aber niemand rechnete
wirklich mit einer
Störung.
»Wir sollten uns ausruhen. Das wird ein Gewaltmarsch, das
wissen wir!« schlug Ptah vor. »Durch Nässe und
Schlamm.«
Windstöße fuhren über uns hinweg und ließen
die Flammen hoch auflodern. Die Bratenstücke drehten sich an den
Spießen. Ein Weinkrug wurde entsiegelt und ging langsam reihum.
Ich nahm einen tiefen Schluck und versuchte mir vorzustellen, was uns
erwartete. In der Erinnerung an den Dschungel der Deltafischer schob
ich meine Hand zwischen die Säume des Hemdes und klammerte mich
an dem Zellaktivator fest. Ich hatte nicht vor, mich wieder in eine
solche Lage zu bringen.
»Du wirst beim Schiff bleiben«, sagte Ocir-Khenso zu
Charis. Sie nickte und erwiderte müde:
»Ich hatte nicht vor, mich mit euch durch den nassen
Dschungel zu wühlen.«
Wir verbrachten eine ruhige Nacht und schliefen tief und traumlos.
Im ersten grauen Licht des Tages hoben wir unsere Waffen und
Werkzeuge auf, luden uns die Proviantbündel auf die
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