PR TB 229 Im Tödlichen Schatten
Rücken
und verließen die anderen. Ocir führte uns an; er ließ
sich von einem Phönizier den ersten Teil des Weges erklären.
Als wir den Waldrand erreichten, brannten die ersten
Sonnenstrahlen auf unseren Rücken. Wir tauchten ein in die nasse
Dämmerung unter den fast undurchdringbaren Baumkronen. Zuerst
ging es wirklich mühelos. Ich hielt das lange Kampfbeil in der
Hand und war bereit, die tödlichen Strahlen abzufeuern, wenn
sich eine der gefürchteten Baumschlangen zeigte. Der Verfall des
Waldes hatte bereits eingesetzt. Was grün gewesen war, begann zu
faulen und wurde schwarz.
In einer langen Reihe schlängelten wir uns an riesigen
Stämmen mit unglaublich großen Durchmessern vorbei. Rechts
und links von uns flüchteten Tiere. Die meisten von ihnen
konnten wir nicht genau sehen, denn ihre Haut oder das Fell besaß
dieselbe Färbung wie der Boden. Jeder Schritt hinterließ
einen kleinen Krater im morastigen Boden, der sich rasch mit
schwarzem Wasser füllte. Ptah-Sokar und Tabarna bildeten den
Schluß unserer Reihe. Wir balancierten hintereinander über
einen riesigen Baumstamm, dessen Rinde unter unseren Tritten
zerbröselte. Von den Zweigen tropfte es unablässig. Wasser
lief die geschwungenen Lianen entlang und versickerte im
abgeworfenen, faulenden Laub. Wenn sich unter einem Stiefel ein Stück
Holz oder ein Pilzkopf drehte, sahen wir unglaubliche Mengen von
Käfern und kleinen Insekten, die davonwimmelten. Nach einer
halben Stunde war auch das letzte Sonnenlicht verschwunden - wir
würden ab jetzt in diesem grauenhaften Halbdunkel weiterlaufen,
das sich wie ein Alptraum auf unsere Gedanken legte.
Immer wieder donnerte die Waffe Ocirs auf. Dann brach entweder ein
starker Ast herunter, oder irgendwelche großen Tiere flüchteten
oder starben. Wir waren fünfzehn Fremdkörper in diesem
Wald.
Wegzeichen brauchten wir keine zurückzulassen, denn unsere
Spuren
würden auch noch nach zehn oder mehr Tagen deutlich zu sehen
sein. Aber die Männer an der Spitze versuchten, den leichtesten
Weg zu finden. Unsere Spur führte in wirren Schlangenlinien
durch die Vegetation. Am deutlichsten sahen wir, daß Ocir und
Kalasiris in die Barrieren aus Lianen große Öffnungen und
Durchgänge geschnitten hatten.
Hoch über uns rasten Horden kleiner Affen durch das Geäst
und bewarfen die Eindringlinge mit Nußschalen und verfaulten
Früchten.
Zwischen den Ästen flogen die prächtigen Vögel mit
den gellenden Rufen hin und her. Eine Herde kleiner, grimmig
aussehender Schweine griff uns an, und wir mußten die Tiere mit
Lähmschüssen abwehren.
Kurz nach Mittag rauschte ein furchtbarer Regenguß herunter,
der seinen Weg durch das Blätterdach fand und uns durchnäßte
und den Boden in noch tieferen Schlamm verwandelte.
Hinter uns schlug der Blitz in einen Baumriesen und spaltete ihn
halb. Das Holz brannte nicht einmal, so dicht war der Regen.
»Hast du etwas von unseren Eingeborenen gesehen?«
schrie ich nach vorn zu Ocir.
»Nicht das geringste Zeichen!«
Wir tappten weiter, bis es zu dunkel wurde. Eine Rast war hier
unmöglich, obwohl wir vor Erschöpfung taumelten. Schwärme
von buntschillernden Fliegen waren über uns hergefallen, und
Ocirs Ultraschall-Abwehrfeld reichte nicht bis zum Schwanz der
schlammbespritzten Karawane. Wir zogen Fackeln aus dem Gepäck
und zündeten sie an. Das kalkweiße, flackernde Licht, der
dünne Rauchstreifen und die Kulisse der nässetriefenden
Bäume, die sich immer enger aneinanderdrängten bildeten ein
schauriges Szenarium. Schweigend kämpften wir gegen Ranken und
Dornen, bis wir endlich eine winzige Lichtung fanden, die praktisch
von den riesigen, ineinander verflochtenen Wurzeln eines Dutzends
Baumriesen gebildet wurde. Hier war es hart, aber trocken. Ich rammte
meine Fackel zwischen die schlangenähnlichen Wurzeln, setzte
mich schwer und erklärte:
»Die Aussicht, noch zehn oder elf solche Nächte
verbringen zu dürfen, läßt mich nicht gerade fröhlich
werden.«
Die Männer versammelten sich und sanken zu Boden, wo sie
gerade standen. Wir rollten die feuchten Mäntel aus und sagten
uns, daß es sinnlos war, hier Feuer machen zu wollen.
»Trinkt nicht zu viel«, warnte Ptah-Sokar. »Unsere
Wasserschläuche sind nicht mehr so voll, wie sie sein sollten.«
»Es wird euch aufmuntern«, sagte Ocir. »Ich habe
unsere Schritte gezählt. Wir sind ein gutes Stück
vorangekommen. Morgen müßten wir die Felsen erreichen.«
»Wir tröstlich!« brummte Sirhaida,
Weitere Kostenlose Bücher