PR TB 229 Im Tödlichen Schatten
Wir müssen warten, bis das
Projektil zum Himmel gerast ist. Dann werden sie sich anders
verhalten. Wie, allerdings, das ahne ich nicht einmal.«
Ptah hob sein Kampf beil.
»Besonders Mutigen können wir eine schmerzhafte Lehre
erteilen.«
»Möglichst nicht«, wandte ich ein. »Wir
können ihre Hilfe auf dem Rückweg dringend brauchen.«
»Auch recht.«
Wir blieben zwischen den Stämmen und Wurzelbergen, bildeten
eine geschlossene Gruppe und warteten abwehrbereit. Nur hin und
wieder sahen wir ein paar Schatten vor den Bäumen hin und her
huschen. Hoffentlich rannte keiner der Eingeborenen auf den
Tempelberg hinauf. Schließlich, mitten in unsere Unruhe hinein,
sagte Ocir leidenschaftslos:
»Hundert Atemzüge noch!«
Dann, nach einer kleinen Ewigkeit, sahen wir undeutlich das
Aufzucken der ersten Flamme, hörten den brüllenden Knall
und das Heulen der brennenden
Rückstoßgase. Zwischen den Stämmen wurde es hell.
Eine Wolke aus Hitze, zerfetzten Blättern und kochendem Dampf
breitete sich nach allen Seiten aus und erreichte uns. Das Dröhnen
und Donnern wurde lauter, und das Projektil stieg senkrecht auf,
wurde schneller und warf sich der Wolke entgegen. Der Lärm
machte uns vorübergehend taub wie das letzte rasende Gewitter.
Dann entfernte sich das Geräusch, und jeder von uns steckte die
Finger in die Ohren und versuchte, das Klingen und Sirren zu
vertreiben.
Du solltest warten, was die Eingeborenen tun! riet der
Logiksektor. Noch bevor wir etwas unternehmen konnten, nahmen wir
etwas anderes wahr: Brandgeruch! Wir rannten zum Rand des Dschungels
und sahen die Flammen. Der größte Teil des jämmerlichen
Tempelbaues war weggefegt worden. Die Reste der Gewächse dort
oben standen in Flammen. Das Gras brannte ringförmig von der
Stelle aus, an der die mittlere Säule beim Start ihre
Nachbarinnen zerstört hatte. Flammen und Rauch wälzten sich
dem Waldrand entgegen.
Ich schrie:
»Die Jäger werden vor dem Feuer flüchten. Wir
sollten uns zurückziehen! Vielleicht sehen wir sie noch einmal!«
Wir alle waren froh, diesen Ort verlassen zu können. Auf
unserem Pfad bewegten wir uns, diesmal in Zweierreihen, so schnell
wie möglich zurück. Da wir den Weg kannten, da wir ihn
freigeschlagen und mit den Zweigen und Ästen einen Pfad durch
den Sumpf geschaffen hatten, kamen wir schnell und einigermaßen
kräftesparend vorwärts. Wir stolperten, rannten und
hasteten, bis wir nichts mehr sehen konnten. Wieder wurden die
Fackeln angezündet, und wir wußten auch schon, wo wir
rasten würden. Irgendwann überholte uns der Schall der
Explosion. Ocir gab zum Besten:
»Neunzig und neunzig endlos Prozent haben wir erledigt. Es
bleiben nur noch neun Prozent übrig.«
»Oder ein Projektil, eine Wolke, was viel bildhafter ist«,
schimpfte Ptah-Sokar. »Weniger reden, schneller laufen!«
Wir rasteten abseits unseres selbstgeschaffenen Pfades in kleinen
Höhlen, die sich unter den Wurzeln gebildet hatten. Inzwischen
waren unser Mäntel auch nur noch bessere Fetzen. Sie glichen
Fischer netzen mehr als dichtgewebtem Stoff. Ocir weckte uns beim
ersten Lichtschimmer, zog mich unter den Wurzeln hervor und hob den
Arm.
»Sieh dorthin, Gebieter!« flüsterte er. Ich
zuckte zusammen. Der Logiksektor zirpte aufgeregt:
Sie bringen Geschenke! Hütet euch trotzdem!
Langsam näherten sich auf unserem Pfad etwa ein Dutzend der
Eingeborenen. Sie trugen keine Bögen, hielten aber in den
ausgestreckten Armen große, leidlich grüne Blätter.
Darauf lagen Früchte, Bratenstücke und fladenförmige
Brote. Schweigend kamen sie näher. Ich fragte flüsternd:
»Hat ES ihre Sprache in deinem Gehirn gespeichert?«
»Nein. Vermutlich deshalb, weil sie so einfach ist, daß
wir sie auch ohne seine Hilfe lernen können.«
Wir blieben stehen und warteten voller Spannung. Ich legte die
Hand an den Griff des Lähmstrahler-Dolches. Die Krieger kamen
bis zu uns beiden heran, dann beugten sie die Köpfe. Sie wirkten
in der Tat friedfertig. Einer von ihnen stieß ein paar Worte
hervor. Die Ähnlichkeit mit anderen Sprachen, die wir kannten,
war groß. Ich verstand:
Mächtig. Großes Feuer. Rettung. Fremd. Nicht Kampf.
Geschenke. Schlimme Zeit. Hilfe.
Hinter uns drängten sich unsere Kameraden. Ocir und ich
nahmen ein kleines Stück Braten, eine Frucht, etwas von dem
hellen Brot und aßen es. Ich versuchte dann, mit viel Gesten,
etwa folgendes zu erklären:
Wir sind in der Bucht, am Meer. Dorthin sollt ihr uns begleiten.
Bald wird wieder die Sonne
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