PR TB 236 Die Stadt Der Zukunft
reine Luft ein und konzentrierte
sich auf seinen Vortrag.
Der Pilot und einer von Kuschels SD-Beamten schleppten Klappstühle
aus dem Laderaum des Gleiters. Als alle saßen, musterte Milwony
noch einmal die Gesichter der Anwesenden.
Dort Generaldirektor Grimshaw, der wie eh und je völlig
teilnahmslos wirkte. Da Forschungsleiterin Nikipiti, die über
den Rand ihrer Hornbrille hinweg interessiert zu der grauen Fläche
hinüberstarrte. Rast, erfüllt von unverhohlener Abscheu.
Inspektorin Chanderhak, die ihr Reflexionskleid glättete und ihm
dabei wie zufällig einen tiefen Blick in ihren Ausschnitt
gestattete. Und ein glatzköpfiger kleiner Gnom in einem schlecht
sitzenden Lederanzug, den Milwony nach einigem Nachdenken als
Zebastian Zaches identifizierte, den Vorsitzenden des Solaren
Kinderschutzbundes, von dem niemand zu wissen schien, warum er an
dieser Exkursion teilnahm.
Kusche] hätte er fast übersehen.
Der SD-Chef schien mit seinem Klappstuhl und dem grünen
Hintergrund der Bäume zu verschmelzen, und kaum wandte Milwony
den Blick von ihm ab, hatte er ihn auch schon vergessen.
Der Urban-Designer räusperte sich.
»Meine Damen und Herren, verehrter Generaldirektor, ehe ich
zum eigentlichen Thema, dem neuen urbanen Wohnmodell MAMMA-1, komme,
lassen Sie mich einige Worte zur Einführung sagen.
Bis vor zweihundert Jahren war die Menschheitsgeschichte geprägt
von Expansion; zuerst beschränkt auf die vergleichsweise winzige
Oberfläche Erde, dann hinaus zu den Planeten des Sonnensystems,
den Sternen der Milchstraße, sogar zu anderen Galaxien wie dem
Andromedanebel oder den Magellanschen Wolken.
Fast tagtäglich wurden die Grenzen weiter hinausgeschoben,
neue Erkenntnisse erworben, neue wissenschaftliche Durchbrüche
erzielt. Der Kontakt mit den extraterrestrischen Völkern dieser
und der anderen Milchstraßen war ungeheuer befruchtend, wenn
auch zuweilen gefährlich oder gar tödlich. Trotz aller
Widrigkeiten, trotz aller Fehler, die man zwangsläufig begangen
hat, zog es die Menschen immer weiter hinaus. Hunderte, Tausende
fremde Welten wurden besiedelt. Das Imperium wuchs,
und mit ihm wuchsen seine Macht und die Hoffnung der Menschen.
Die Expansion, die Besiedelung der Sterne war mehr als nur
Selbstzweck, mehr als der Drang, der Galaxis den eigenen Stempel
aufzudrücken. Die Expansion war Teil des menschlichen
Selbstverständnisses, des Bewußtseins, daß es immer
noch ein Weiter, Größer, Schneller gab und ewig geben
würde.
Die Ereignisse, die mit Old Man und den Hypno-Kristallen aus den
Magellanschen Wolken ihren Anfang nahmen und ihren schrecklichen
Höhepunkt in der entscheidenden Konfrontation mit den Ulebs
fanden, beendeten endgültig diesen Glauben.
Die Menschheit mußte einsehen, daß es Grenzen gab und
daß Quantität und Qualität durchaus einen Gegensatz
darstellen konnten.
Für Terra selbst war diese Erkenntnis schmerzhafter und
revolutionierender als für die Kolonien, denn auf den Kolonien
gab es tatsächlich noch etwas zu erreichen und Grenzen zu
verschieben.
Für Terra, Wiege der Menschheit und für fast fünfhundert
Jahre Machtzentrum dieser Galaxis, bedeuteten die Verwüstungen
im Krieg gegen die Ulebs und die Dolans der Zweitkonditionierten der
Beginn eines langwierigen Umdenkungsprozesses.
Die Erde mußte akzeptieren, daß sie nur ein Planet
unter vielen von Menschen besiedelten Planeten war. Daß
historische Größe nicht ausreichte, um ihren
Führungsanspruch zu rechtfertigen. Sie benötigte ein neues
Selbstverständnis.
Fort von der schieren Quantität, der Sucht nach dem Großen,
die in schierem Gigantomanismus erstarrt war.
Hin zu der Qualität, zu neuen Formen menschlichen
Zusammenlebens, der Verbesserung der Umwelt, der Entwicklung neuer,
humaner Technologien und der Schöpfung von Philosophien, von
Bewußtseinshaltungen, die der veränderten Situation
angemessen waren.«
Milwony befeuchtete seine Lippen. Verärgert stellte er fest,
daß Rast gähnte.
»Dieser Umdenkungsprozeß«, fuhr er fort, »ist
noch lange nicht abgeschlossen. Vieles ist noch unvollkommen, vieles
fließt noch in den alten Bahnen. Doch wichtig ist, daß
die Veränderung begonnen hat.
Und Whistler, meine Damen und Herren, ist im Augenblick dabei,
einen entscheidenden Schritt in diese Richtung zu machen.«
Der Urban-Designer machte eine kurze Kunstpause und ignorierte
Rasts unverhohlen zur Schau gestellte Langeweile.
»Der Mensch«, sprach Milwony weiter, »wird
geprägt von seinem sozialen
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