PR TB 246 Expedition Ins Totenreich
einredeten, nichts mehr zu verlieren zu haben. Dabei,
dachte Sayla, verlieren sie hinter dieser Tür dort das
Kostbarste, was ein lebendes, denkendes Geschöpf verlieren kann
- ihre Gefühle.
Die Tür war ein rostiges Rechteck; sie bestand nicht aus
Arkonstahl und war erst nachträglich in den Korridor eingebaut
worden. Die Zeit hatte ihr ihren Glanz genommen und fraß sich
geduldig weiter fort, bis die Tür eines Tages zu Staub zerfallen
würde.
Doch noch versperrte die schwere Pforte den Korridor, und über
ihr hing ein rechteckiges Phosphoreszenzschild.
PFANDHAUS DER LEIDENSCHAFTEN Inh. A. Krarn Kühle Solar für
heiße Gefühle
Die Lettern schienen an Leuchtkraft zu gewinnen, während
Sayla sie anstarrte, und natürlich war das kein Zufall; der
Armlose Krarn hatte sie mit seinem Blut geschrieben, das so grün
war wie Schimmel auf altem Käse, und auch wenn es nicht mehr in
Krarns Adern kreiste, besaß es noch genug Vitalität, um
seine unheilige Kälte an Saylas heißen Gefühlen zu
wärmen. Sayla wandte den Blick ab. Es war nicht gut, wenn man zu
lange die Schrift betrachtete. Der Anblick vereiste die Seele und
machte einen willfährig für Krarns Einflüsterungen.
Warum mache ich mir deswegen Sorgen? fragte sich Sayla bitter. Ich
bin ohnehin zum Tode verurteilt.
Es war kühl im Korridor; der Frost des Weltraums schien
hinter den beschmierten Wänden zu lauern und nur darauf zu
warten, daß ein Riß entstand und ihm Einlaß bot in
die Herzen der Menschen. Die Luft roch
abgestanden, nach Unrat und Öl, nach Schweiß und
Verwesung. Das Pfandhaus der Leidenschaften lag nur zwei Decks über
der Gesetzlosen Zone, der Deponie der Sternenstadt für ihren
belebten und unbelebten Müll. Der Boden vibrierte im Takt der
mächtigen Maschinen in den angrenzenden Sektoren,
Luftumwälzpumpen, Wasseraufbereitungsanlagen, Kraftwerke und
Transformatoren und alle anderen technischen Einrichtungen des
Lebenserhaltungssystems YANINSCHAS waren hier stationiert.
Der richtige Ort für einen Burschen wie den Armlosen Krarn,
sagte sich Sayla Heralder. Er sitzt direkt am Puls der Sternenstadt,
im Herzen der uralten Raumbasis, und wirft von dort seine Netze aus.
Sie berührte das Chronometer an ihrer Halskette. Kurz vor
Mitternacht. Wahrscheinlich wartete Rurrgronnom bereits voller
Ungeduld auf sie. Merkwürdig, daß der Gurrad, der nach
Skimmishs Prophezeiung mit ihr sterben würde, sie zu einem
Gespräch über Las-Run ins Pfandhaus der Leidenschaften
bestellt hatte. Sayla straffte sich, ging mit energischen Schritten
auf die rostige Tür zu und stemmte sich gegen sie. Knirschend
schwang die Pforte auf. Das dahinterliegende Korridorstück war
nicht länger als zwölf Meter und endete an einer Wand aus
Arkonstahl, die mit einem schweren Teppich drapiert war. Der Teppich
war schwarz im Grund und mit weißer Seide bestickt; das Muster
stellte die von Sternen und fernen Nebelhaufen umrahmte Scheibe einer
fremden Galaxis dar.
Vielleicht ist sie wirklich Krarns Heimat, durchfuhr es Sayla.
Vielleicht stimmen die Gerüchte, daß der Pfandleiher aus
einer fernen Milchstraße kommt, wo die Entwicklung des Lebens
einen anderen Verlauf genommen hat, wo die Evolution die Gefühle
verkümmern ließ und ihr Heil im reinen Intellekt suchte.
Dies könnte Krarns Hunger nach Leidenschaften erklären.
Aber womöglich hat Krarn persönlich diese Gerüchte in
Umlauf gebracht, um die Wahrheit zu verschleiern, die zu monströs
ist, um ans Licht zu gelangen.
An den Seitenwänden standen bis zur Decke reichende Regale
aus einem Material, das an Marmor erinnerte. Auf den Regalen reihten
sich zahllose Behälter aneinander, Schnupftabakdosen nicht
unähnlich. Der Boden war mit einem abgewetzten Kunststoffbelag
ausgelegt und weich wie halb geschmolzene Schokolade. In der Mitte
erhob sich ein wuchtiger Tisch aus echtem Holz, an dem Gestalten
saßen; wegen dem Halbdunkel waren sie nur undeutlich erkennbar,
aber Sayla wußte, um wen es sich dabei handelte.
Rurrgronnom.
Und der Armlose Krarn.
Sie ging weiter. Ihre Füße versanken im Boden und bei
jedem Schritt erklang ein schmatzendes Geräusch. Die Gestalten
am Tisch drehten sich um. Kälte schlug Sayla entgegen.
»Endlich!« sagte Rurrgronnom grollend. »Ich
befürchtete schon, Sie hätten unsere Verabredung
vergessen.«
Der Armlose Krarn lachte. Das Lachen klang menschlich, doch dies
unterstrich nur die Fremdartigkeit seiner Erscheinung. Der
Pfandleiher war ein pfahldünnes, nicht mehr als einen
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