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PR2604-Die Stunde der Auguren

PR2604-Die Stunde der Auguren

Titel: PR2604-Die Stunde der Auguren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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überschlug sich und zog dabei einen Schleier von schwarzem Kaffee hinter sich her.
    Routh wich zurück. Er wäre gern in Richtung der wehklagenden und doch hoffnungsvollen Melodie geflohen, aber diese Melodie war verklungen.
    Mit einem nie gehörten Donnern und Krachen schlug in diesem Moment ein Meteorit in die Fassade des Doppelhelix-Hauses ein.
    Sofort schwirrten einige Einsatzgleiter des Katastrophenschutzes um das Gebäude. Einige der Gleiter waren bemannt, andere autonome Roboter.
    Routh sah, wie einige Gleiter Trümmerstücke mit Traktorstrahlen einfingen, andere legten Vakuumfelder über brennende Areale und erstickten die Flammen, sprühten danach Kryopaste auf die glühenden Flächen.
    Andere Gleiter dagegen kreisten ziellos wie verirrte Insekten.
    Und einer der Gleiter platzte wie eine Seifenblase – einfach so.
    Die Menschen verfolgten das Geschehen ebenso stumm wie er. Kein Schrei, kein Kommentar.
    Fast wäre ihm wohler gewesen, eine archaische Panik zu sehen, Menschenmassen, die schreiend und mit anderen Ausdrücken einer kreatürlichen Angst über die Plätze rannten, im fast besinnungslosen Versuch, sich in Sicherheit zu bringen.
    Aber dafür hätten sie wissen müssen, in welcher Richtung die Sicherheit lag.
    Stattdessen herrschte diese panische Stille, die Erstarrung aller, die viel deutlicher als jede Flucht offenlegte, wie heillos, wie ausweglos die Lage war.
    Er dachte: Die Stadt versinkt in einer Flutwelle des Chaos. Und wir haben keinen Strand, keinen Felsen, auf den wir uns retten könnten.
    Der Boden warf Wellen. Routh schwankte. Er meinte, den Plastbelag der Straße aufglühen zu spüren.
    »Herr Routh«, hörte er Inken Melchiors Stimme. Routh schaute sich zu ihr um, verdutzt über die altertümliche Anrede. Sie starrte ihn an, erschrocken und mit einem übernatürlich klaren Blick, so als besäße sie plötzlich ein zweites Gesicht. Ihre Lippen zitterten leicht.
    »Ja?«
    »Herr Routh, dies«, sie machte eine umfassende Geste, »ist nicht mehr meine Heimat. Man hat mir meine Welt entwendet.«
    »Ja«, sagte Routh.
    »Glaub mir«, flüsterte sie, »Weltendiebe gehen um.«

Eine unsichtbare Dunkelheit
     
    Nachdem Emmanuel Buccanphor – oder Buccanphor da Ortoba, wie der Bürgermeister von Terrania City mit vollständigem Namen hieß – Eins-Eins verlassen hatte, waren Ybarri und Bull für wenige Augenblicke allein.
    Sie waren sich, was Buccanphor da Ortoba anging, einig: ein Mann mit einem gewissen Hang zum Mondänen, ein wenig großspurig vielleicht, den Kopf immer ein wenig geneigt, als lausche er auf den Ruf zu Höheren.
    Ein Viertelarkonide. Sein Großvater lebte auf Bhraikon, einer der ältesten arkonidischen Siedlungswelten, und gehörte zu einem uralten Khasurn. Zu einem Khasurn im Übrigen, bis in dessen Mitte es noch nicht vorgedrungen war, dass die meisten Arkoniden ihre nonchalante Lethargie und vergüldete Dekadenz längst abgelegt hatten. Candrast da Ortoba vergnügte sich in seinen Simulationswelten.
    Die Regenbogenpresse liebte solche Hintergründe, und sie liebte Emmanuel Buccanphor da Ortoba; Frauen schätzten ihn. Vielleicht war er sogar ein Mann, der irgendwann für den Posten des Ersten Terraners kandidieren würde.
    Bull liebte weder die Regenbogenpresse noch Emmanuel; hin und wieder hatte er ihn in privater Runde als Quälgeist bezeichnet.
    Immerhin war Emmanuel Buccanphor kein Blender. Er behielt die Übersicht. Er hatte bei drei Raumschiffen, die auf dem Crest Space Port standen, Verstärkung angefordert, ein wenig mehr als das Nötigste, um Reserven für Unvorhergesehenes zu haben.
    Sein Lagebericht war präzise gewesen; seine Einsatzkommandos arbeiteten zuverlässig.
    In vielen, ja in den meisten Städten Terras sah es ärger aus. Vom Rest des Solsystems ganz zu schweigen.
    Ybarri und Bull nickten sich zu. Was Terrania anging, konnten sie Buccanphor das Feld überlassen.
    Ybarri stand auf und vertrat sich die Beine. Sie war noch jung, 58 Jahre alt, und ihre Art, sich wie schwerelos zu bewegen, untermauerte das. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das tiefdunkle Haar, das, wie immer mittig gescheitelt und knapp schulterlang, ihr Gesicht umrahmte.
    Sie hatte am 1. Juli 1468 ihre dritte Amtszeit angetreten, die 25. Legislaturperiode seit TRAITOR.
    Sie war klug; sie ließ sich überzeugen und sie konnte überzeugen; sie zog enge, exklusive Grenzen um sich. Bull wusste so gut wie nichts von ihrem Privatleben. Zwei gekündigte Ehen; zwei erwachsene Töchter.

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