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PR2604-Die Stunde der Auguren

PR2604-Die Stunde der Auguren

Titel: PR2604-Die Stunde der Auguren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Milchstraße gegolten.
    Alles vorbei.
    Der blutrote Himmel wirkte von den beständigen Einschlägen in Stücke geschlagen. Der Lärm der Meteoriten und ihrer Explosionen schien asynchron, alles verdreht und verworren. Es stank nach Schwefel und Ammoniak, nach brennenden Metallen, sogar nach verbranntem Haar, verbranntem Fleisch, wenn Routh auch keine Quelle dieser Gerüche ausmachen konnte.
    Er hustete und räusperte sich mehrfach. Maßlos verblüfft bemerkte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwei neue Gebäude, die sich wie eine grün glasierte Doppel-Helix umeinander in die Höhe schraubten.
    Wer hatte das wann und wieso errichtet?
    Für einen Moment erwog er, jemanden zu fragen, ganz so, als sei er ein Fremder in der Stadt. Aber er war schließlich ein Fremder – fremd wenigstens in dieser entstellten Stadt.
    Er schaute sich um. Menschen standen in Gruppen beisammen, gestikulierten und diskutierten erregt. Andere saßen stumm nebeneinander, im Kreis oder Rücken an Rücken. Alle wirkten, als hätten sie etwas verloren, etwas Entscheidendes. So unwiederbringlich verloren, dass eine Suche nicht lohnte.
    Routh stellten sich die Nackenhaare auf. Er drehte sich um, schaute zurück zum Wohnturm. Vielleicht sollte er überhaupt zurück und von seiner Wohnung aus nach Anicee suchen.
    »Ein kleiner Anfall von Mutlosigkeit?«, hörte er Pucs sonore Stimme.
    In diesem Moment glitt eine der Fronttüren auf, und Inken Melchior trat auf die Straße. Sie hielt eine Kaffeetasse samt Untertasse in den Händen und machte einige Schritte auf Routh zu. Schließlich blieb sie stehen, blickte in das Chaos am Himmel und sagte: »Was für ein Wetter.«
    Nach einer Weile wandte sie sich Routh zu, musterte ihn und fragte: »Du bist neu in der Stadt?«
    Routh lachte wie über einen Scherz. Die alte Inken wohnte seit fast einem halben Jahr neben ihm. Sie musste deutlich über 190 Jahre sein. Gelegentlich hatten sie gemeinsam zu Abend gegessen, und sie hatte ihm von ihrer Zeit bei der Handelsflotte erzählt, davon, wie sie mit ihrem Schiff – der GHOST TOWN? oder doch der BRIDGE OVER TROUBLED WATER?, egal – einmal einem ganzen Schwarm von Traitanks entkommen waren. Eine Meisterleistung, die manchem militärischen Schiff zur Ehre gereicht hätte.
    Inken hatte gewiss einen eigenartigen Humor.
    »Neu in der Stadt?«, fragte er. »Nicht neuer als du, Inken.«
    Sie schaute ihn verwundert an, lächelte höflich und fragte: »Kennen wir uns?«
    Routh deutete ein Nicken an, antwortete aber nicht.
    »Was ist das?«, fragte er und zeigte auf den doppelhelixförmigen Neubau gegenüber.
    »Die Mehandor-Bank«, sagte Inken. »Zu niedriger Zinssatz. Nicht zu empfehlen.« Sie kicherte.
    Natürlich. Die Mehandor-Bank. Wieso hatte er sie nicht erkannt?
    Inken Melchior hob die Tasse und nippte, den kleinen Finger ladylike abgespreizt. Sie nickte nachdenklich. Dann ließ sie die Untertasse los, die sie in Brusthöhe gehalten hatte. Die Untertasse schwebte reglos in der Luft. Inken trat einen Schritt zurück, nippte noch einmal. Sie zog die Stirn kraus und stellte die Tasse auf die schwebende Untertasse. »Das ist ja merkwürdig.«
    »Was?«
    »Dass sie schwebt. Es ist kein Antigrav drin. Sie ist einfach aus Porzellan.«
    Routh schüttelte unwillig den Kopf und griff nach der Tasse, um nachzusehen. Sie fühlte sich kalt an, so kalt, dass die Haut an seinen Fingern kleben blieb, als er versuchte, sich von ihr zu lösen. Die Untertasse bewegte sich um keinen Deut. Er schob mit der Handinnenfläche dagegen, aber die Untertasse blieb unverrückbar.
    Plötzlich drang durch das Tohuwabohu ein ferner Klang. Es war eine auf das erste Hören hin schlichte, aber doch fein abgestimmte Melodie, warme, dunkle, nachhallende Töne. Er hörte sie nicht nur mit dem Ohr, sondern vernahm sie mit dem Zwerchfell. Sehr getragene Klänge, zugleich fremdartig und schön. Ihm war, als hörte er einen sanften Weckruf, der zu einem ganz neuen, wunderbaren Tag rief.
    »Hörst du das auch?«, fragte er.
    Inken Melchior sah ihn nachdenklich an.
    »Ich kenne dich«, sagte sie leise. »Von irgendwo her kenne ich dich. Waren wir zusammen auf der GHOST TOWN?«
    GHOST TOWN? Fast hätte er gelacht. Sie waren in der Ghost Town, jetzt und hier.
    In diesem Moment stürzte die Untertasse jäh, als wäre sie Teil einer Explosion, zu Boden; die volle Tasse folgte, aber nicht annähernd so schnell. Wie ein welkes Blatt, von einem Windstoß herumgewirbelt, sank und trudelte sie zu Boden,

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