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PR2607-Der Fimbul-Impuls

PR2607-Der Fimbul-Impuls

Titel: PR2607-Der Fimbul-Impuls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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lassen, am Ende einen fast offiziellen Gruß. Wir sehen uns später. Pass auf dich auf. Shanda.
    Es war nicht Ebion, sondern Andraes Bolanden. Sie sagte ihm, dass sie auf dem Weg in die Sonne sei.
    Er nickte. »Warum?«
    Es war kein besonders kluges Warum, aber es hielt die Unterhaltung am Leben.
    Sie fragte: »Kennst du den Witz mit dem Bären und der Todesliste?«
    »Nein«, sagte er.
    »Eines Tages kam im Wald das Gerücht auf, dass der Bär eine Todesliste aufgestellt hätte.«
    »Todesliste? Ein Bär?«
    »Unterbrich mich nicht. Nimm's als Metapher oder so. Also: Die Tiere beraten, was zu tun sei, und das Reh beschließt, zum Bären zu gehen. Es fragt ihn: ›Bär, stehe ich auf deiner Liste?‹ – ›Ja‹, sagt der Bär. Am nächsten Tag ist das Reh tot.«
    Bolanden runzelte die Stirn. »Komischer Witz.«
    »Abwarten. Und jetzt still. Nun geht der Fuchs zum Bären und fragt: ›Bär, stehe ich auf deiner Liste?‹ – ›Ja‹, sagt der Bär. Und am nächsten Tag ist der Fuchs tot. Anschließend will keiner mehr zum Bären gehen, nur der Hase traut sich. Er begibt sich zum Bären, zittert natürlich fürchterlich und fragt: ›Bär, stehe ich auf deiner Liste?‹ – ›Ja‹, sagt der Bär. Da fragt der Hase: ›Kannst du mich bitte streichen?‹ – ›Klar‹, sagt der Bär und streicht den Hasen von seiner Liste.«
    »Ha. Ha«, sagte Bolanden todernst.
    »Ich finde, er passt zu unserer Situation.«
    Er fragte: »Du hast du dich also aufgemacht, den Bären zu fragen und ihn gegebenenfalls zu bitten, dass er uns von der Liste streicht?«
    »Kann passieren«, sagte Sarmotte.
    Sie schwiegen für einige Herzschläge. Dann sagte er: »Für heute mache ich Schluss. Wir haben übrigens die Puppe gefunden.«
    »Cevim«, sagte Sarmotte.
    Bolanden nickte.
    »Danke!«, sagte Sarmotte. »Das hast du gut gemacht.«
    Er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, aber die Freude über ihr Lob leuchtete ihm aus den Augen.
    »Gute Nacht.«
    »Es wird eine sehr helle Nacht«, sagte sie. Aber da hatte er die Verbindung bereits getrennt.
    Sie versuchte, an Rence zu denken, groß und tief und ruhig wie das Meer. Aber war das Meer nicht auch nur ein verquirlter Haufen Gase? Die Gesichter von Rence und Andraes vermischten sich – und Sarmottes Gedanken auch.
    Verstehe einer das Betriebssystem der Liebe, dachte sie noch, dann war sie eingeschlafen.
     
    *
     
    »Bist du wach?«, klang Bulls Stimme aus dem Akustikfeld und weckte Shanda Sarmotte.
    Sie setzte sich auf. Es war kurz vor fünf Uhr. Offenbar hatten sie den Rendezvouspunkt im Sonnenorbit erreicht. An dieser Stelle sollte die Fähre von der Sonnenforschungsstation AMATERASU Bull und sie aufnehmen und in die Tiefen der Sonne bringen.
    »Ja«, sagte sie. »Hellwach.«
    Sie stand auf, ließ ihre Kleidung eine kurze Autoregenerationsphase durchlaufen und warf einen Blick auf die unangebrochenen Flaschen in der Kühlregion des Tisches. Sie verließ die Kabine.
    Unmittelbar darauf verspürte sie Durst.
     
    *
     
    Shanda Sarmotte und Reginald Bull gingen zum Hangar. Der Kommandant der GEO SHEREMDOC, ein älterer Mann mit weißem Haar, weißem Schnauzbart und Kugelbauch, der überraschend elastisch auftrat, redete mit Bull in gedämpftem Ton, als sollte kein anderer mithören.
    Sarmotte hörte nicht mit und streifte stattdessen noch einmal durch die Gedankenwelt des Schiffes. Irgendwer spielte eine Kindheitserinnerung durch: wie er mit seinem Antigravschlitten einen funkelnagelneuen Gleiter gestreift und seinem Lack einen winzigen Kratzer zugefügt hatte – einen Kratzer, der, wie er später lernte, von dem Lack selbstständig wieder behoben worden war. Mit pochendem Herzen war das Kind nach Hause geglitten und hatte gedacht: Jetzt bin ich ein Verbrecher!
    Sie musste lachen.
    Der kugelbäuchige Kapitän warf ihr einen misstrauischen Blick über die Schulter zu. Kurz darauf betraten sie den kleinen Hangar.
    Das also war die Fähre.
    Sarmotte fühlte sich ein wenig enttäuscht. Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass die Fähre, die aus dem Inneren der Sonne kam, Wärme ausstrahlen würde, ganz so, als müsste sie, aufgetaucht aus der brennenden Tiefe des Sterns, noch nachglühen.
    Aber das diskusförmige Schiff – eine modifizierte Space-Jet der REMUS-Klasse, knapp über 25 Meter im Durchmesser – stand metallisch kühl da wie ein Stück Eisen im Winter. Das Ynkelonium-Terkonit ihrer Hülle schimmerte in einem blassen Rosa. Was für eine abscheuliche Farbe, dachte sie.

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