PR2616-Countdown für Sol
Oberkörper ein wenig auf. Aus großen, runden Augen musterten sie ihn.
»Felevi!«, sagte einer und meinte damit wohl sich selbst, denn ein anderer fügte hinzu: »Todare!« Und weiter: »Du bist Menschenkind, richtig?«
»Ja. Korbinian Boko. Das ist meine Schwester Lia!«
Die Indochimi richteten ihre Blicke auf das Mädchen im schwebenden Bett.
»Sehr krank«, stellte Felevi nach einer Weile fest. »Bringst du das Fahrzeug zu uns?«
»Gern. Aber nur schauen, nicht anfassen. Coperniu sagt, jeder fremde Keim kann tödlich sein.«
Korbinian steuerte das Bett ein Stück in die Brandung. Mühsam richteten sich die Indochimi auf. Das Stehen und Gehen bereitete ihnen Probleme, ihre Körper waren an die Schwerelosigkeit der Ozeane gewohnt. Sie umringten das Bett, richteten ihre Blicke starr in Richtung des Mädchens hinter dem Prallfeld.
Nach einer Weile fassten sie einander an den Händen. Er sah die Schwimmhäute zwischen den kurzen Fingern und deren lange Krallen. Die Indochimi spitzten die froschähnlichen Münder und stimmten ein monotones Summen an, auf und ab, auf und ab, wobei sie sich im Kreis um das schwebende Bett bewegten.
Die Sonne kletterte inzwischen am Himmel empor, von rechts nach links, wie Coperniu es gesagt hatte.
Es wurde wärmer. Für Lia in ihrem Bett war das nicht gut, und da erschien auch schon Erasma auf der Terrasse und winkte.
Der Singsang wirkte einschläfernd auf Korbinian. Geduldig wartete er, bis die Töne verklangen und die Wasserwesen den Kreis auflösten. Viel wusste er nicht von ihnen, außer dass sie im Ozean lebten und Kontakte zu den Menschen pflegten. Warum sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ans Ufer gekommen waren?
Sie sanken zurück in das seichte Wasser.
»Ein schweres Los«, sagte Felevi. »Wir können nichts für deine Schwester tun. Nicht traurig sein.«
»Nein, nein.« Korbinian bugsierte das Bett zurück über den Strand. »Danke, dass ihr uns helfen wolltet!«
Die Indochimi schoben sich rückwärts ins Wasser zurück. Ihre Körper peitschten den Sand, dann tauchten sie ab und waren weg, ehe Erasma den Strand erreichte.
»Das ist gefährlich«, empfing sie Korbinian. »Diese Wesen sind unberechenbar.«
»Sie sind Freunde«, beharrte Korbinian und lenkte das Bett zurück zum Bungalow. »Und sie wollten Lia helfen.«
»Ich bin froh, dass sie es nicht getan haben. Wer weiß, was uns das gekostet hätte.«
Korbinian verstand nicht, warum seine Mutter gegenüber anderen immer so ablehnend war. Auch Coperniu hatte das an sich. Er ging anderen Menschen aus dem Weg. Und wo es sich nicht vermeiden ließ, blieb er distanziert.
»Zeit für den Unterricht!«, sagte Erasma, als sie ins Haus traten. Coperniu wartete schon mit dem Hypnoschuler.
*
Der Servo rief Korbinian in das Zimmer seiner Schwester: »Der Bewegungsmelder hat zum ersten Mal etwas aufgezeichnet.«
»Ich komme!« Er stolperte fast über seine Beine, streifte an der Wand des Korridors und blieb am Türrahmen hängen.
»Bin schon da, Lia! Bin schon da!« Auf Zehenspitzen betrat er das Zimmer.
Der Holoschirm der Positronik hatte sich aktiviert. Er zeigte eine Skala mit einer Linie.
»Erklär mir, was der Strich bedeutet«, sagte Korbinian.
»Der Körper deiner Schwester hat sich gleichmäßig zur Seite bewegt, und zwar um drei Zentimeter.«
»Juhu! Hast du das gehört, Lia? Du kannst dich wieder bewegen.«
»Nein«, sagte der Automat. »Wenn sie ihren Körper aus eigener Kraft bewegt, entsteht eine gewellte Kurve, weil sich die einzelnen Körperpartien unterschiedlich weit und unterschiedlich schnell bewegen. Das hier ist etwas anderes.«
Korbinian starrte den Holoschirm wütend an. »Was anderes, klar! Und ein einziges Mal obendrein!«
»Es ist ein Anfang.«
Langsam begriff er, was der Automat eigentlich meinte. »Lia ist teleportiert?«
»Es ist eine mögliche Erklärung.«
Korbinian hing schon am Apparat und berührte den Notfall-Sensor. Cop und Era waren im Zentrum New Tahitis zum Einkaufen. Als Holo tauchte der Kopf des Vaters übergangslos auf.
»Korbi, was ist passiert?«
»Sie ist teleportiert!«
»Meine Güte! Wir lösen sofort eine Großfahndung nach ihr aus.«
»Drei Zentimeter, Cop! Drei Zentimeter!«
Coperniu schien erleichtert. »Wie kannst du uns nur so erschrecken!«
»Ich dachte, ihr freut euch.«
»Ja, gewiss tun wir das, ganz bestimmt, Junge. Bis später!«
Irgendwie kam es Korbinian vor, als habe sein Vater ihm gar nicht richtig zugehört. Er wandte sich
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