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PR2617-Der dunkelste aller Tage

PR2617-Der dunkelste aller Tage

Titel: PR2617-Der dunkelste aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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zum Stillstand.«
    Mofidul Huq führte den Gedanken sofort weiter. »Das ist noch nicht alles. An der Oberfläche der auf diese Weise aufgeblähten Sonne, innerhalb der Fotosphäre, geschehen noch ganz andere Veränderungen. Gegen das, was dort entsteht, wirkt die Beeinträchtigung im Sonneninneren und damit die Inflation, die rapide Zunahme des Volumens, geradezu harmlos.«
    Für ein paar Sekunden summte der Wissenschaftler leise. Es war keine Melodie, die einer der interessierten Zuhörer hätte erkennen können, sondern eher ein Dampfablassen, das Huqs Konzentration erhalten half.
    Mit einer umfassenden Geste setzte der Sonnenphysiker zur nächsten Erklärung an. Er warf Shanda einen forschenden Blick zu, aber sie war nicht erneut auf quasitelepathische Reise gegangen. Die Mutantin ließ sich nichts von dem entgehen, was Huq aus ihren Schilderungen umsetzte.
    »Die Sonne überzieht sich mit der Fimbul-Kruste«, sagte er und setzte sofort zur Erläuterung an. »Die Ephemeren Transformatoren erzeugen am Rand des sich so gewaltig aufblähenden Sterns eine hauchdünne, gewissermaßen als zweidimensional anzusehende Schicht.
    Ich würde die Fimbul-Kruste deshalb auch als Ephemere Membran bezeichnen. In ihr ist die dritte Dimension geradezu ›geschmolzen‹ und damit auch die Zeit. Weder lässt sich festlegen, zu welchem genauen Zeitpunkt ein Ereignis geschieht, noch an welchem genauen Ort sich ein Objekt aufhält. Damit geben Raum und Zeit der Welt keine Ordnung mehr.
    Wenn wir nun versuchen, ein Photon anzumessen, stellen wir mit Sicherheit fest, dass wir es an mehreren Orten gleichzeitig finden. Zugleich hat der räumliche Abstand keinerlei Bedeutung mehr. Die Photonen bewegen sich von einem Ort zum anderen, ohne den Raum dazwischen zu durchqueren – weil es schlicht keinen Zwischenraum mehr gibt.«
    »Das heißt, dass alle Photonen in dieser Fimbul-Kruste gefangen sind«, wandte Bull ein. »Sie befinden sich dort wie in einem eigenen Universum. Es gibt kein Entkommen?«
    »Doch«, sagte Huq. »Anders ausgedrückt: Das Licht müsste schneller als das Licht werden. Dazu müsste deutlich mehr Energie zugeführt werden, als das gesamte Universum liefern könnte. Oder es müsste der Umweg über den Hyperraum genommen werden, vergleichbar einer Transition.«
    »Können wir die Kruste mit der AMATERASU durchbrechen?«
    Huq schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen. Die Kruste weist keine reale Dicke auf.«
    »Was heißt das?«
    »Es gibt die Planck-Länge ...«
    Bull nickte zögernd. »Eins Komma sechs eins sechs mal zehn hoch minus fünfunddreißig Meter. Das ist die kleinste konventionell-physikalisch sinnvolle Länge.«
    »Exakt so ist es«, bestätigte der Sonnenphysiker. »Die Dicke der Fimbul-Kruste liegt aber nicht nur deutlich unterhalb dieser Größenordnung, sondern sie ist quasi unendlich kleiner. Alles dort ist so klein, dass es sogar keinen Raum für Zeitdauer gibt. Übertrieben gesagt: Die dort gefangenen Teilchen bemerken nicht, dass Zeit vergeht. Sie wissen nicht, ob seit ihrem Eintritt in die Kruste eine Attosekunde, eine Femtosekunde oder eine Milliarde Jahre vergangen sind. Sie sind gewissermaßen in die Teilchenewigkeit eingegangen.«
    »Ins Nirwana«, kommentierte Bull.
    »Sehr poetisch.« Huq lächelte melancholisch. »Zeit existiert dort in einer anderen Form. Die zeitartigen Linien in der Kruste sind zu raumartigen Linien verbogen. Die Zeit ist dort zum Raum mutiert, und wir können sie nicht mehr messen. Was man nicht messen kann, existiert aber auch nicht.«
    Bull schürzte die Lippen, und er hob die Augenbrauen. »Das scheint mir das Glaubensbekenntnis eines ferronischen Physikers zu sein. Aber ich habe immer noch keine Antwort auf meine Frage: Können wir die Fimbul-Kruste durchstoßen?«
    Huq zögerte. Bedächtig wiegte er den Kopf.
    »Möglicherweise können wir in die Ephemere Membran eindringen. Ich weiß nicht, wie wir das wahrnehmen würden. Wahrscheinlich würden wir glauben, auf eine schwarze Wand zuzufliegen. Aber so schnell wir auch fliegen, so viel Energie wir auch einsetzen: Die Wand rückt immer langsamer näher. Zugleich würde diese Wand irgendwann die Station umschließen. Dann wäre es gleichgültig, ob wir umzukehren versuchten. Die Welt ringsum hätte sich in diese allumfassende Mauer verwandelt, auf die wir uns in alle Ewigkeit zubewegen würden, langsamer und langsamer werdend.«
    Reginald Bull nickte nachdenklich. »Welche Optionen haben wir?«
    »Der dauernde Aufenthalt in

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