PR2619-Planet der Formatierer
zu verlassen.«
»Spaziergänge«, sagte Routh. »Etwas Erfrischung in der Natur?«
Chourtaird lachte abfällig und heiser. »Mein Talent für Spaziergänge war schon in jungen Jahren minimal. In letzter Zeit ist es ganz erloschen. Würde mich jemand zwingen, spazieren zu gehen, ich würde die Abkürzung suchen. Und was die erfrischende Natur angeht: Das Haus Nhymoth bietet etliche Etagen voller Wälder, Savannen, Eiswüsten. Frag Hausmaior Cülibath. Er weist dir den Weg.«
»Und wenn ich dennoch in eine andere Stadt wollte? Gibt es Straßen?«
»Du bist ein unruhiger Gast«, seufzte Chourtaird. Er ließ sich Zeit. Eine Träne rann aus dem milchigen Auge, ein Tropfen flüssigen, trägen Kupfers.
Sein Buhars-Auge, dachte Routh.
Chourtaird sagte: »Natürlich sind da die Onuudoy, die fliegenden Landschaften. Manche kreisen im Orbit einer Stadt; manche reisen. Im Falle Cherayba gibt es die Onuudoy Mondspiegel, wenn ich mich recht entsinne. Oder?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Routh ungeduldig.
»Hin und wieder macht eine Onuudoy in Whya halt. Es wäre freilich ein großer, großer Zufall«, sagte der Alte mit einer fast erlöschenden Stimme. »Und ob sie, den maximalen Zufall eingeräumt, nach Cherayba reist: Wer weiß?«
Routh nickte. Das Gespräch führte in eine Sackgasse.
Chourtaird raunte: »Du hättest Cülibath nach einer solchen Zufälligkeit gefragt?«
»Nein«, sagte Routh.
»Das hätte ich auch nicht. Was wissen die Junker schon oder die Zofen. Ihre Allwissenheit ist nichts als ein Aberglaube.« Der Sayporaner nuschelte noch etwas, das Routh nicht verstand.
Routh machte sich auf den Weg, ohne Ziel. Kurze Zeit später traf er Cülibath und fragte nach einer Onuudoy.
»Gewiss«, sagte der Junker. »Die Onuudoy Nebelschlucht ankert zurzeit bei Whya.«
»Sie fliegt nicht zufällig weiter nach Cherayba?«, fragte Routh.
»Warte.« Der Junker schien nachzudenken. Dann sagte seine ferne Stimme: »Zufällig tut sie es doch.«
*
Routh folgte der Wegbeschreibung Cülibaths und erreichte den östlichen Stadtrand. Er brauchte eine Weile, bis er die Onuudoy erkannt hatte. Zunächst hatte er geglaubt, vor einer schlicht unbebauten Landschaft zu stehen: eine weite Ebene, aus deren graugrünen Wiesen dünne Nebelschwaden aufstiegen; einige Kilometer dahinter zwei Höhenzüge, die aufeinander zuliefen und im weiteren Verlauf das Land zwischen sich zu einer Schlucht verengten. Jeder Einblick in diese Schlucht wurde von einer dichten Nebelwand verwehrt.
Routh schaute sich suchend um.
Wonach hältst du noch Ausschau?, fragte Puc amüsiert. Wir stehen ganz offenbar vor der Nebelschlucht – der Onuudoy, die einen Linienverkehr nach Cherayba unterhält.
Dass sich dieses Nebelland vom Grund und Boden Whyas unterschied, bemerkte Routh, als er versuchte, die Wegschale auf die Ebene zu steuern. Sie versagte ihren Dienst.
Routh musste aussteigen. Er ging langsam auf die Höhenzüge zu, die unverhältnismäßig schnell näher rückten, als liefe er in Siebenmeilenstiefeln.
Wenige Minuten später stand er vor dem Eingang zur Nebelschlucht. Beidseitig ragten die Felswände etliche hundert Meter empor. Er fragte sich, ob auch diese Dimensionen einem bloß optischen Effekt entsprossen, einer technisch perfekten Augentäuschung. Er sah kein Bauwerk, nichts, was einem Antrieb, irgendeiner Maschine oder einer Steuerzentrale ähnelte. An wen sollte er sich wenden?
Worauf warten wir?, drängte Puc. Dass sich der Nebel lichtet? Wird er nicht. Hier ist Verschleierung Programm.
Routh trat in den dichten Nebel ein.
Es war kalt und feucht. Routh hielt sich geradeaus. Bald erreichte er ein niedriges Haus, einen sich weit ausbreitenden weißen Bungalow. Seine Fronten links und rechts verschwanden im Nebel, kein Fenster zu sehen, nur eine türlose Öffnung. Routh trat ein. Es roch beklemmend. Der Raum war unbedacht. Anstelle des Daches bedeckte ihn der wie gepresst daliegende Nebel. Er wogte dicht über Routh, sank jedoch nicht in den Raum.
Routh ging weiter. An der hinteren Wand befand sich eine Öffnung. Seine Schritte hallten. Von Zimmer zu Zimmer führten Durchgänge ohne Türen. Keinerlei Möblierung, kein Schmuck an den Wänden. Allerdings war das Mauerwerk verputzt, grauweiß und ockergelb; der Putz blätterte ab. Einmal glaubte Routh, einen Hund bellen zu hören, aber das Geräusch verklang.
In einem der Zimmer saß an einem Tisch ein Kind. Ein terranischer Junge, nicht älter als fünf oder sechs Jahre.
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