Prada Party und Prosecco - Roman
ich am liebsten meine Reservekamera genommen, sie ihnen an den Kopf geworfen und Tomatensaft über die endlosen Tüllschichten der Robe geschüttet hätte. Immer und immer wieder » DAS IST EINFACH NICHT FAIR !« zum Himmel schreien wollte. Ja, so langsam bekam ich mein Leben wieder in den Griff. Ich hatte einen netten Freund, und so etwas wie eine nicht allzu ferne Zukunft begann langsam Gestalt anzunehmen. Ich war nicht in der Gosse gelandet.
Aber irgendwie machte es das noch schlimmer. Wenn alles so furchtbar wie nur irgend möglich ist, dann tut man sich zumindest noch dadurch hervor, absolut am Ende zu sein. Man ist immer noch etwas Besonderes, außergewöhnlich, weil man ganz unten gelandet ist. Die Leute sprechen über einen mit verhaltener Stimme. Wenn hingegen alles ganz offenkundig durchschnittlich ist, dann muss man da eben durch – und das ist erstaunlicherweise viel schwieriger. Ich konnte nicht einfach die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und mich eine Woche lang im Bett verkriechen. Ich musste weitermarschieren. Ich zückte die Kamera wie eine Pistole und verschwand wieder in meinem Nebenraum. Ich hörte gerade noch, wie Rufus verkündete: »Meine Frau und ich …«
Die Gäste jubelten, während Kellner und Kellnerinnen sich flink wie ein Wespenschwarm unters Volk mischten und Champagner und Kanapees verteilten. Das Gelächter wurde lauter, und das Orchester ging jetzt zu einer heiteren und anmutigen Melodie über. Es war traumhaft schön. Ich wollte nur noch heulen.
»Sophie?«
Natürlich. Es war Philly, die wie ein zauberhafter pinkfarbener Lastwagen vor mir auftauchte.
»Du hast uns Julius besorgt! Was ist denn mit deinen Haaren los? Du siehst aus wie ein …«
»Labrador, ich weiß.«
»Eigentlich wollte ich Golden Retriever sagen.«
»Oh.« Ich stand einfach nur da.
»Du arbeitest also hier?«
»Natürlich.« Ich war noch auf keiner Party gewesen, auf der Philly nicht ihre Visitenkarte verteilt hatte, aber das erwähnte ich nicht.
»Wow, das ist toll.« Sie schüttelte den Kopf. »Wirklich ein Jammer, dass es mit dir als Promi nicht geklappt hat.«
»Darüber bin ich hinweg.«
»Na, schön für dich«, erwiderte sie, als würde sie mit einem etwas einfältigen Kind sprechen. »Das ist ja wunderbar! War es Carena denn recht, dass du hier bist? Ich könnte mir vorstellen, dass sie es vielleicht ein bisschen taktlos findet …«
»Ich bin Julius’ Assistentin«, entgegnete ich. »Sie kann sich ja beschweren.«
»Oh, ich bin sicher, sie würde dich nicht rauswerfen «, meinte Philly, aber ihr Tonfall ließ erahnen, dass sie sich da gar nicht so sicher war.
»Tja, dafür sind Freundinnen ja da.« Ich lächelte.
»Natürlich«, stimmte sie zu. »Na ja, du weißt schon, ich hab so einiges zu tun …«
»Na, dann mal los!«, erwiderte ich so fröhlich wie irgend möglich.
Das Essen schien nie enden zu wollen, Gänge um Gänge winziger Happen mit Sößchen. Solange sie nicht ordentlich was getrunken hatten, würde niemand Fotos von sich machen lassen wollen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, die geschmeidige Choreographie der Kellner zu beobachten, die an den Tischen servierten; sie huschten mit Dutzenden Tellern und Bergen von schmutzigem Besteck in die Küche, nur um Sekunden später mit einem anderen Tablett wieder aufzutauchen. Unbeschwertes, lautes Stimmengewirr erfüllte den Raum und nahm noch an Lautstärke zu, als Rufus aufstand und an sein Glas klopfte.
»Hallo, alle zusammen«, sagte er in diesem albernen Bariton, der mir einst so vertraut gewesen war. Da war er. Rufus, die Doofnuss.
»Ich wollte nur sagen, wie sehr ich mich freue, dass ihr heute alle hier seid – und wie glücklich ich bin, meine schöne Braut hier an meiner Seite zu haben.«
Die Menge jubelte. Er dankte seinen Eltern, seinen Freunden, seinem Farmmanager, der ganzen Familie und seinem Hund. Ich wartete geduldig, aber mir dankte er nicht dafür, dass ich so anmutig beiseite getreten war, um für jemanden Platz zu machen, den er eben ein wenig lieber mochte. Mehr Schulterklopfen konnte auch meine neue, reife Gleichmütigkeit nicht ertragen, also schlich ich in meine Grotte zurück und hockte mich dort allein hin. Okay. Die Kameras waren alle vorbereitet und aufgestellt. Es gab absolut nichts zu tun. Ich ging auf und ab, und schließlich schaltete ich das Deckenlicht aus, setzte mich in einer Ecke unter einen Tisch (die Chaiselongue war furchtbar unbequem) und döste, da ich die letzten zwei Wochen in
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