Prada, Pumps und Babypuder
Freundin von mir ist Therapeutin. Ich habe ihr von dir erzählt, und sie meinte, du könntest vielen Süchtigen aus ihrer Gruppe helfen.«
Stille. Ich spüre, wie ich rot werde.
»Nur zu, Bex.« Suze stupst mich an. »Du wärst bestimmt super.«
»Ich würde jedenfalls kommen«, sagt Luke. »Wann soll es denn sein?«
»Braucht nicht besonders förmlich zu sein«, erklärt Jess. »Nur ein Gespräch darüber, wie man dem Konsumdruck widerstehen kann. Besonders in der Schwangerschaft.« Sie schüttelt den Kopf. »Ihr glaubt ja gar nicht, was die Leute für ihre Kinder alles einkaufen.«
»Daran sind nur die ganzen Kataloge schuld«, sagt Luke ernst.
»Also, was meinst du, Becky?«, hakt Jess nach.
»Ich weiß nicht…« Ich räuspere mich. »Ich bin nicht sicher, ob ich…«
»Hey, nicht so schüchtern!« Jess setzt sich neben mich aufs Sofa. »Ich bin wirklich stolz auf dich, Becky. Und du kannst auch stolz auf dich sein.«
Sie bricht ab und greift nach hinten. »Worauf sitze ich hier eigentlich?« Sie zieht zwei Hochglanzkataloge voller Eselsohren hervor.
Mist. Und natürlich hat sie eine Ausgabe von Luxury Baby erwischt. Auf dem Cover ist ein Baby in Ralph-Lauren-Kleidung, das in einem Mini-Rolls Royce sitzt und ein Fläschchen von Dior in der Hand hält.
»Becky hat sich die gar nicht angesehen«, sagt Suze schnell. »Das sind meine, ich habe sie mitgebracht.«
Ich liebe Suze.
Jess blättert angewidert in Luxury Baby. »Das ist ja ekelhaft. Was soll ein Baby denn mit einer aufblasbaren Badewanne? Oder mit einer Designerwiege?«
»Ich weiß.« Ich versuche, ihren entrüsteten Tonfall nachzuahmen. »Es ist schrecklich. Ich muss allerdings zugeben, dass ich schon ein paar Sachen kaufen will…«
»Guck mal!« Mum versucht, Jess zu begeistern. »Becky hat ein tolles Bett für das Baby gefunden!« Sie sucht in den Katalogen. »Wo war das noch? Es hat eine Lightshow… und Vibration…«
Ich erstarre zur Salzsäule.
Zeig es nicht Jess. Nicht das Bett für tausendzweihundert Pfund.
»Da ist es ja!« Mum hat es gefunden.
»Das interessiert Jess doch gar nicht«, wehre ich ab. Ich versuche, Mum den Katalog abzunehmen, aber Jess ist schneller.
»Auf welcher Seite?«, fragt sie.
»Mum?« Wir werden unterbrochen von einem dunkelhaarigen, zerzausten Mann, der plötzlich in der Tür steht.
Er ist groß und sieht wild aus und hält ein speckiges Taschenbuch in der Hand, und ich habe keine Ahnung, wer…
Moment mal. Ist das Tom?
Herrje. Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Mum hat völlig Recht, was das Rasieren angeht.
»Dad braucht Hilfe beim Zaubern«, sagt er zu Janice. »Das Kaninchen ist stecken geblieben oder so.«
»Oje«, ruft Janice. »Dann muss ich wohl los. Tom, willst du nicht wenigstens hallo sagen.«
»Hallo allerseits«, sagt Tom in die Runde.
»Du kennst doch Suze, Beckys Freundin? Und hast du schon Beckys Halbschwester Jess kennengelernt?«
»Hallo, Tom«, sagt Suze fröhlich.
»Hi«, sagt auch Jess.
Ich schaue zu ihr rüber und warte auf den Vortrag, dass tausend Pfund für ein Bett eine Heidensumme ist und dass wir in dekadenten Zeiten leben. Aber zu meiner Verwunderung sieht sie sich den Katalog gar nicht an. Sie hat ihn auf den Schoß sinken lassen und starrt mit versteinerter Miene Tom an.
Und Tom starrt sie an.
Sie bemerkt das Buch, das er in der Hand hält. »Ist das Lasst Euch nicht verführen ?«
» Ja. Hast du es gelesen?«
»Nein, aber anderes von Baudrillard. Das System der Dinge zum Beispiel.«
»Das habe ich auch!« Tom geht auf Jess zu. »Wie fandest du es?«
Moooment mal.
»Ich fand sein Konzept von Simulation und Simulacrum total spannend.« Jess fummelt an dem Tiffany-Anhänger herum, den ich ihr geschenkt habe.
Jess fummelt nie an dem Tiffany-Anhänger herum. Oh Gott. Sie steht auf Tom!
»Ich versuche gerade, den Zusammenbruch der Hyperrealitäten auf meine Theorie postmodern kapitalistischer Entropie anzuwenden«, sagt Tom.
Ist das cool!
Die beiden sehen gut aus, die Chemie stimmt offensichtlich, und sie sprechen dieselbe Sprache, in der Wörter vorkommen, die sonst keiner versteht. Das ist O.C., California im Wohnzimmer meiner Eltern!
Ich sehe zu Luke rüber, und der zieht die Augenbrauen hoch. Mum stupst Suze an, und sie grinst zurück. Wir sind alle gespannt. Janice scheint förmlich neben sich zu stehen.
»Also, ich geh dann mal…«, sagt Tom.
Janice ergreift blitzartig die Initiative. »Jess, meine Liebe. Wir haben uns ja noch nie so richtig
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