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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ich sie mochte. Na ja, das war ja auch kein großes Wunder. Als Engel neigt man dazu, alle zu mögen, sogar die Bösen. Aber Tandy hatte so etwas Nettes und Verletzliches an sich, das mich rührte, etwas, das überhaupt nicht zu ihrem frechen, sexy Auftreten passte.
    Nick hing noch eine Weile lang in der Küche rum und schaffte es irgendwie, dunkel und rätselhaft zu wirken, während er eine zweite Portion Frühstücksflocken verdrückte (diesmal Lucky Charms).
    »Ich muss los.« Klappernd ließ er seine Schale in die Spüle rutschen. »Die Arbeit ruft. Schönen Tag!« Mit der sorglosen Anmut, die die Hälfte aller Frauen in Los Angeles dazu brachte, ihm die Tür einzurennen, verließ er die Wohnung.
    Dann war ich allein, abgesehen von Granola, die immer noch nicht in meine Nähe kommen wollte. Was sollte ich tun? Bisher hatte ich drei der sieben Tödlichen geschafft, sodass nicht mal mehr ganz vier Tage übrig blieben für Habgier, Zorn, Hochmut und … und … was war es denn noch gleich? Ach ja, Wollust – wie konnte ich das vergessen?
    Ein gefährlicher kleiner Gedanke schlich sich in mein Gehirn. Der Apartmentkomplex hatte einen Pool. Wie wäre es, wenn ich mich einfach dort niederließ und nach Männern Ausschau hielt? Das war doch bestimmt eine ganz gute Methode, die Sache mit der Wollust in die Wege zu leiten, oder nicht?
    Als ich die Klamotten durchwühlte, die man mir für meine Mission mitgegeben hatte, fand ich einen schicken jadefarbenen Bikini und einen dazu passenden Wickelrock. Das überzeugte mich vollends, dass es das Richtige war, mich ein bisschen zu sonnen.
    Am Pool befand sich außer mir nur ein einziger Mensch. Ein Mann – wie der Zufall es so wollte. Aber eine falsche Art von Mann. Er war extrem dünn und blass. In Los Angeles sieht man so etwas nicht allzu oft. Dünne findet man genug, genau genommen ist es schwer, einen zu finden, der nicht dünn ist. Aber dieser Mann war dünn wie jemand, der lange Zeit krank gewesen ist. Regungslos lag er auf seiner Sonnenliege und hatte die Augen hinter der Sonnenbrille geschlossen.
    Ich ging probeweise ein paar Mal an ihm vorbei, aber nichts
passierte. Also streckte ich mich auf einer Liege aus und dachte nach.
    Vielleicht hatte es ja tatsächlich etwas Gutes, dass ich kein Erfolgsengel war. Wenn ich ein perfektes Superwesen mit angeborenem Verständnis für die Menschheit wäre, hätte man mich niemals hierher geschickt. Träumerisch ließ ich mir die Sonne auf die Haut brennen, während ich mit einem philosophischen Rätsel kämpfte: Können Engel eigentlich Sonnenbrand bekommen?
    Nach einer Weile wurde meine Sorge so groß, dass ich in mein Auto stieg, zum nächsten Drugstore fuhr und mir eine Flasche Sonnenmilch mit Sonnenschutzfaktor 25 kaufte.
    Aber als ich aus dem Laden kam, schlug das Unheil zu. Plötzlich hörte ich mich schreien: »Hey, das ist mein Auto!«
    Die beiden Vorderräder meines Wagens hatten sich vom Erdboden gelöst und hingen an einem Haken, der seinerseits an einen Truck befestigt war. Ich wurde abgeschleppt! Ein Mann in Uniform erklärte mir: »Sie hätten hier nicht parken dürfen.«
    Ein Gefühl regte sich in meinem Inneren. In einer sonderbaren Aufwärtsspirale verstärkte es sich und erzeugte in mir den unwiderstehlichen Impuls, diesen Mann tätlich anzugreifen.
    »Ich war nur fünf Minuten da drin!«, brüllte ich ihn an.
    »Hey, Lady, kein Grund, gleich so zornig zu werden.«
    »Ich bin zornig?«, kreischte ich.
    »Allerdings, das kann man wohl sagen.«
    Ich hielt für einen Augenblick inne – und nahm an, dass er Recht hatte. Ich glaube, ich erlebe gerade tatsächlich … ZORN!
    Ich stürzte mich auf den Mann, der die Hand hob, um den Schlag abzuwehren, aber ich hatte es keineswegs auf Blutvergießen abgesehen. Nein, ich umarmte ihn. »Ich bin Ihnen so dankbar!«
    Er war wie versteinert.
    »Oh, hey!« Er winkte einem anderen Mann zu, der in dem
Truck saß. »Was soll’s? Sie war bloß fünf Minuten weg. Gib ihr den Wagen zurück.«
    »Nein, nein, nein«, entgegnete ich. »Sie machen doch nur Ihre Arbeit.«
    Inzwischen hatte sich bereits eine kleine Menschenmenge angesammelt. Als mein Auto wieder auf den Boden herabgelassen wurde, brach donnernder Beifall los.
    »So etwas«, hörte ich einen der Zuschauer sagen, als ich wegfuhr, »so etwas gibt mir den Glauben an die Menschheit zurück.«
    Wieder am Pool, gut mit Sonnenmilch eingeschmiert, bemerkte ich, dass dieser blasse, knochige Mensch immer noch reglos dalag.

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