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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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trotzdem danke.«

Freitag
    Am nächsten Tag war Tandy schon zur Arbeit gegangen, als Nick, umwabert von einer morgenfrischen zitrusduftenden Wolke, in die Küche segelte. Er hatte eine seltsam anziehende, ungepflegte Aura und wirkte immer, als könnte er mal ein ausgiebiges Bad vertragen. Selbst wenn er gerade gebadet hatte. Selbst wenn er sich gerade wusch, behauptet Tandy, die mir gestern gestanden hatte, dass sie eines »schrecklichen« Abends mit ihm unter der Dusche Sex gehabt hatte, nachdem sie sich beide ungefähr zehn Vodkatinis zu viel hinter die Binde gegossen hatten.
    »Kommst du nicht zu spät zur Arbeit?«, fragte ich ihn.
    »Ich arbeite heute nicht, Grace.«
    »Warum nicht?«
    »Vorsprechtermin.«
    »Das ist ja toll! Warum hast du nichts davon gesagt?«
    Er zuckte die Achseln. »Tandy war gestern so deprimiert darüber, wie ihr Vorsprechen gelaufen war, deshalb dachte ich, wenn
ich jetzt von meinem erzähle, dann geht es ihr gleich noch schlechter.«
    »Um was für eine Rolle geht es?«
    »Sanfter, glücklich verheirateter Vater von drei Kindern lässt ein Chemieunternehmen auffliegen, das Gift ins Wasser pumpt.«
    »Wirklich? Das ist ja großartig!« Und was für ein Unterschied zu den Stalker/Mörder/Psychopath-Rollen, die er für gewöhnlich angeboten bekam!
    »Nee, war bloß ein Witz.« Nick ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Psychopath. Neonazi-Tendenzen. Beeindruckende Messerkollektion.«
    Während er sein Captain Crunch in sich reinschaufelte, sah er irgendwie niedergeschlagen aus.
    Dann klingelte das Telefon. Schon wieder eine Frau mit gebrochenem Herzen für Nick? Nein, der Anruf war für mich! Und zwar die einzige Person in ganz L.A., die meine Nummer hatte: Robyn Dude, Schauspielagentin und Arschtreterin der Extraklasse. Das konnte nur eines bedeuten – ein Vorsprechtermin!
    Ich weiß, ich bin kein menschliches Wesen. Ich weiß, ich bin ein Engel, der sich mit höheren Dingen abgibt. So sollte es jedenfalls sein. Aber als Robyn mich knurrend aufforderte, in irgendeiner Suite im Wilshire zu erscheinen, samt meinem Lebenslauf und meinen Porträts, da wollte ich diese Rolle auf einmal unbedingt. Um jeden Preis. Leidenschaftlich.
    So dringend, dass ich für eine Weile vergaß, warum ich eigentlich auf die Erde geschickt worden war. Die sieben Todsünden, erinnerte ich mich streng. Vielleicht konnte ich heute ja noch eine abhaken, ooh, wie wäre es denn mit … Hochmut?
    »Erzähl mir doch mal, was du über Hochmut weißt«, sagte ich zu Nick.
    »Er kommt vor dem Fall.«
    »Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
    »Und ein großer Aufmarsch, der jedes Jahr in San Francisco stattfindet, heißt Pride, also auch Hochmut.«
    »Oooh-kaaay.« Warum bildete ich mir eigentlich ein, dass er etwas Sinnvolles sagen würde? Schließlich war er auch derjenige gewesen, der mir hatte einreden wollen, Müßiggang sei ein kleines Tier.
    So machte sich Nick schließlich auf den Weg zu seinem Vorsprechen, und ich zog mich für meines an. Die Rolle war die dicke, hilfsbereite Schwester der verrückten, wunderschönen Heldin. Noch eine dicke Mädchenrolle, die ich zu meinem Lebenslauf hinzufügen konnte …
     
    In der Suite im Wilshire saßen Dutzende Schauspielerinnen, wir alle verströmten nach Kräften unsere dicke, hilfsbereite Schwesternenergie. Aber auf eine ganz sonderbare, selbstgefällige Art hatte ich den Verdacht, dass ich die Beste war. Mit meinen einundfünfzig Kilo war ich jedenfalls mit Sicherheit die dickste von allen, und in einem warmen Eckchen tief in mir war ich fest überzeugt, dass die Rolle mir gehörte. So sicher war ich, dass ich es sogar schaffte, mich angeregt mit dem süßen Mädel neben mir zu unterhalten. Sie gestand mir, dass in ihrem Leben schon seit langer Zeit nichts mehr richtig lief, so dass sie sich fragte, ob ihr Ex-Freund sie wohl verhext hatte. Man hatte ihr das Auto gestohlen, ihre Strähnchen waren sehr merkwürdig rausgekommen, und seit sechs Wochen hatte sie keine Arbeit mehr. Als ich hörte, wie mein Name aufgerufen wurde, berührte ich sie an der Schulter und sagte: »Ich hoffe, du kriegst die Rolle.«
    »Ich hoffe, du auch«, antwortete sie. Was irgendwie blöd war, denn es gab nur die eine Rolle, und wir waren zwei, aber ich vermute, wir wollten wohl einfach nur nett zueinander sein.
    Ich war noch nie bei einem Vorsprechen gewesen, aber da ich mit Tandy vor ihrem Termin eine Sprechprobe gemacht hatte, wusste ich genau, was ich zu tun hatte. Ein Mädchen namens

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