Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
hatte, an
einem Roman zu arbeiten. In Wirklichkeit gab es keinen Roman – so etwas dauerte viel zu lange, das war nichts für mich. Die schnelle Befriedigung, die man mit Kurzgeschichten haben konnte, war mehr mein Ding. Aber der Verlag schrieb zurück, man wollte sich meinen angeblichen Roman gern mal anschauen.
Ich war fix und alle. In blinder Panik begann ich zu schreiben. Ich hatte weder eine Handlung noch eine Hauptperson parat, lediglich den Wunsch, mich nicht bei einer Lüge erwischen zu lassen. In nicht mal einer Woche schaffte ich vier Kapitel und schickte sie hektisch ab. Zwei Wochen später bot mir der Verlag einen Vertrag über drei Bücher an.
Sechs Monate davor hatte ich versucht mich umzubringen, jetzt hatte ich einen Buchvertrag. Seltsam, oder nicht? Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich ohne Alkohol feiern. (Ich kaufte mir stattdessen ein Paar Schuhe. Das war fast genauso angenehm.)
Aber die Fantasien, meinen Job aufzugeben und fortan ein glamouröses Leben zu leben, konnte ich schnell wieder vergessen. Meine Vorauszahlung waren nicht-lebensverändernde sechshundert Pfund pro Buch, deshalb arrangierte ich die Schreiberei um meine Arbeit herum und schrieb morgens und abends.
Im September 1995 erschien mein erster Romane ( Wassermelone ) in Irland und verkaufte sich sehr gut. Es hieß, er sei witzig. Sogar wenn es um traurige Dinge ging. Eigentlich vor allem , wenn es um traurige Dinge ging. Aber ich bekam auch eine Reihe schlechter Kritiken, was mich völlig umhaute. Ich hatte keine Verarbeitungsmechanismen für öffentliche Demütigungen, und sofort – wie jedes Mal, wenn ich durcheinander war – verspürte ich das verzweifelte Bedürfnis zu trinken. Aber ich tat es nicht. Stattdessen ging ich mit zwei Stücken Schokoladenkäsekuchen von Marks and Spencer ins Bett und wartete, bis sich die Scham legte. (Eine Lösung, die bis heute gut funktioniert.)
In der Zwischenzeit begann ich an meinem zweiten Roman zu arbeiten, einer fröhlichen kleinen Komödie über Depression. Und ich lernte einen Mann kennen. Er war ganz anders als die Männer, auf die ich es abgesehen hatte, als ich noch trank. Sogar jetzt noch habe ich Angst, darüber zu reden, wie toll er ist, weil ich vom Schicksal sonst womöglich bitter bestraft werde.
Im September 1996 überschlugen sich die Ereignisse. Eines Nachmittags saß ich bei der Arbeit und kontrollierte gerade die monatliche betriebswirtschaftliche Auswertung, als das Faxgerät neben mir jaulend ein Fax ausspuckte. Es war für mich, aber keine Kopie einer Rechnung oder dergleichen, nichts, was mit der Arbeit zu tun hatte, nein, das Fax kam von meinem Agenten, der mir mitteilte, dass ein großer britischer Verlag gerade eine Menge Geld geboten hatte (das Zehnfache meines Jahreseinkommens, wie sich herausstellte), um die Lizenz für meine Bücher zu kaufen. Mit zitternden Händen saß ich an meinem Schreibtisch, vertippte mich ständig und fragte mich, ob das alles wahr sein konnte.
Kurz danach wurden die Auslandsrechte für Deutschland, die Niederlande, Schweden und die Vereinigten Staaten verkauft. Plötzlich konnte ich es mir leisten, meinen Job aufzugeben und – was ich mir nie hätte träumen lassen – Vollzeit-Schriftstellerin zu werden.
Ich hatte ein Wunderleben geschenkt bekommen. Doch obwohl sich die äußeren Bedingungen verwandelt hatten, dauerte es eine ganze Weile, bis meine Gefühle die Wirklichkeit einholten. Die Unsicherheit und Unreife, die für Alkoholiker charakteristisch sind, existierten quicklebendig weiter, und ich fühlte mich verwirrt und wertlos.
Wie jedes Mal in meinem Leben, wenn ich aus dem Gleichgewicht geriet, erschien mir der Alkohol ungeheuer anziehend, aber ich widerstand erneut der Versuchung. Tief in meinem Innern war
mir klar, dass meine Nüchternheit die Grundlage für alles andere in meinem Leben war, und wenn ich sie schützte, indem ich zu den Meetings ging und in der Nähe von anderen genesenden Alkoholikern blieb, dann war alles in Ordnung.
Die Zeit verstrich, mein dritter Roman wurde veröffentlicht, dann der vierte – lauter Komödien über ernste Themen –, und die Reaktionen darauf beschämten mich zutiefst. Paradoxerweise hatte mich das Schreiben über das Thema Isolation in Kontakt mit anderen Menschen gebracht: Ich bekam hunderte von Briefen, deren Kernaussage war: »Deine Bücher beschreiben genau, was ich empfinde.« Und das einer Person, die lange das Gefühl hatte, eigentlich nicht zur
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