Pretty - Erkenne dein Gesicht
der Nacht versucht hatte, ein Feuer zu machen, ohne in ihrem Fieberwahn zu erfassen, wie töricht das gewesen wäre. Die Special-Wagen, die den Ballon verfolgten, hätten ein Feuer in der Dunkelheit doch mit Leichtigkeit entdeckt.
An diesem Morgen war am Himmel keine Spur von ihren Verfolgern zu sehen, aber Tally beschloss, trotzdem möglichst viel Distanz zwischen sich und den Fluss zu bringen. Ohne funktionierende Heizung in ihrer Jacke würde sie in dieser Nacht ein Feuer machen müssen.
Aber zuerst das Wichtigste, und das war Nahrung,
Sie trottete zum Fluss hinunter, um den Reiniger zu füllen, und bei jedem Schritt blätterte getrockneter Lehm von ihrem Körper und ihrer Kleidung ab. Tally war in ihrem ganzen Le ben noch nie so schmutzig gewesen, aber sie brachte es nicht über sich, in dem eisigen Wasser zu baden, nicht ohne ein Feuer, an dem sie sich danach wärmen konnte. Das Fieber der vergangenen Nacht war vielleicht verflogen dank ihres neuen Pretty-Immunsystems, aber sie wollte hier draußen trotzdem nicht ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Natürlich wusste Tally, dass es nicht ihre eigene Gesundheit war, um die sie sich Sorgen machen sollte. Zane war irgendwo hier draußen, vielleicht ebenso allein wie sie. Er und Fausto waren fast gleichzeitig gesprungen, aber sie konnten Kilometer voneinander entfernt gelandet sein. Wenn Zane auf dem Weg in die Ruinenstadt einen seiner Anfälle erlitten hätte, ohne Hilfe von irgendwem ...
Tally verdrängte diesen Gedanken. Im Moment konnte sie für Zane oder sonst jemanden nur eins tun, nämlich den Weg zu den Ruinen finden. Und das bedeutete, dass sie etwas essen musste, statt sich über Dinge zu sorgen, an denen sie doch nichts ändern konnte.
Der Reiniger musste zweimal gefüllt werden, ehe er aus dem trüben Bach genug Wasser für eine Mahlzeit herausgefiltert hatte. Tally suchte sich eine Packung Pad Thai aus und schaltete den Reiniger auf Kochen; bald stieg aus dem gurgelnden Wasser der Duft von Nudeln und Gewürzen auf.
Als das Essen endlich signalisierte, dass es fertig war, fühlte sich Tally schon ganz schwach vor Hunger.
Kaum hatte sie das PadThai gegessen, wurde ihr klar, dass es keinen Grund mehr gab, hungrig zu bleiben, und sofort kochte sie sich noch eine Portion CurryNuds. Nichts zu essen war sinnvoll gewesen, um sich von den Manschetten zu be freien und prickelnd zu bleiben, aber Tally hatte jetzt die gefährliche und kalte Wildnis. Hier würde sie wohl kaum in Pretty-Dunst versinken.
Nach dem Frühstück lieferte der Positionsfinder seine schlechten Nachrichten ab. Tally musste ihre Berechnungen zweimal überprüfen, ehe sie wirklich glauben konnte, welche Entfernung sie nachts zurückgelegt hatte. Die Winde, die vom Ozean kamen, hatten den Ballon weit nach Osten getrieben, genau in die entgegengesetzte Richtung von der Ruinenstadt, und dann hatte die Flussströmung sie eine weitere lange Strecke gen Süden getragen. Sie war über eine Woche Fußmarsch von der Ruinenstadt entfernt, in Luftlinie. Und von Luftlinie konnte keine Rede sein: Sie würde einen großen Bogen um die Stadt machen und sich im Wald vor Suchfliegern verstecken müssen.
Tally fragte sich, wie lange die Specials wohl nach ihr suchen würden. Glücklicher-weise wussten sie nichts vom Verlust des Hubbrettes, deshalb würden sie annehmen, dass sie flog, statt sich zu Fuß abzumühen. Sie würden davon ausgehen, dass Tally in der Nähe eines Flusses oder anderer Mineralablagerungen bleiben musste.
Je eher sie sich vom Fluss entfernte, desto besser.
Tally packte unglücklich ihr erbärmliches Lager zusammen. Ihr Rucksack enthielt mehr als genug Nahrung für die Reise und in den Hügeln würde sie nach dem vielen Regen mit Leichtigkeit Wasser finden, aber sie hatte trotzdem das Gefühl, dass das Ganze sinnlos war. Wenn sie Sussy und Dex richtig verstanden hatte, dann hatten die New Smokies sich nicht auf Dauer zwischen den Ruinen niedergelassen. Sie konnten jeden Tag aufbrechen, und Tally war eine Woche von ihnen entfernt.
Ihre einzige Hoffnung war, dass Zane und Fausto zurückbleiben würden, um auf sie zu warten. Falls sie nicht glaubten, Tally sei gefangen worden oder beim Absprung ums Leben gekommen oder einfach ausgestiegen.
Nein, sagte sie sich, das Letzte würde Zane jedenfalls nicht denken. Er würde sich vielleicht Sorgen machen, aber Tally wusste, dass er auf sie warten würde, egal wie lange es dauerte.
Sie seufzte, als sie sich die noch immer nasse Jacke um
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