Pretty - Erkenne dein Gesicht
wenig Kontrolle hatte sie also doch über ihren wilden Sturz.
Während sie fiel, wurde das silberne Band des Flusses größer, zuerst langsam, dann schneller, der dunkle Horizont breitete sich aus wie ein riesiges Raubtier, das auf sie zukam und den Sternenhimmel verbarg. Sie umklammerte das Hubbrett mit den Händen und stellte fest, dass sie ihren Sturz lenken konnte, indem sie die ausgestreckten Beine bewegte und so den Fluss genau unter sich hielt.
Und dann, in den letzten zehn Sekunden, ging ihr auf, wie groß der Fluss war, seine Oberfläche war weit und aufgewühlt. Sie sah Dinge, die sich darin bewegten.
Er wuchs, schneller und schneller ...
Als die Hubvorrichtungen des Brettes sich einschalteten, hatte sie das Gefühl, dass ihr eine Tür ins Gesicht geschlagen wur de, die ihre Nase platt drückte und ihre Oberlippe aufriss, und sofort füllte Blutgeschmack ihren Mund. Ihre Handgelenke wurden von den Auffangarmbändern brutal verdreht und die Schubkraft presste sie gegen das sich aufbäumende Hubbrett und drückte jeden Rest Luft aus ihrer Lunge. Sie rang um Atem.
Das Hubbrett verlangsamte seine Tempo rapide, aber die Wasseroberfläche wuchs trotzdem an, breitete sich in alle Richtungen aus, wie ein riesiger Spiegel voller Mondlicht, bis …
Knall!
Das Bett schlug auf das Wasser wie eine riesige Handfläche und jagte einen weiteren Schlag durch Tallys Körper. Eine Explosion aus Licht und Lärm füllte ihren Kopf. Und dann war sie unter Wasser und ein dumpfes Dröhnen füllte ihre Ohren. Sie ließ das Brett los und versuchte mit fahrigen Armbewegungen die Oberfläche zu finden. Durch den Aufprall war alle Luft aus ihrer Lunge gepresst worden. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, und sah durch das trübe Wasser ein vages Flackern von Licht. Ihre Arme mühten sich kraftlos ab und das Licht kam langsam näher. Endlich brach sie durch die Wasseroberfläche, keuchend und hustend.
Der Fluss toste um sie herum, die schnelle Strömung warf überall Schaum auf. Tally versuchte verzweifelt sich über Wasser zu halten, aber das Gewicht ihres Rucksacks drohte sie nach unten zu ziehen. Ihre Lunge saugte sich mit Luft voll und sie hustete heftig und schmeckte wieder Blut in ihrem Mund.
Als sie sich umschaute, ging Tally auf, dass sie ihr Ziel nur zu gut getroffen hatte - sie befand sich genau in der Mitte des Flusses, von beiden Ufern jeweils fünfzig Meter entfernt. Sie paddelte fluchend weiter und wartete auf ein Ziehen an ihren Auffangarmbändern.
Wo war ihr Hubbrett? Das hätte sie inzwischen eigentlich gefunden haben müssen.
Es hatte sehr lange gedauert, bis die Hubvorrichtungen aktiviert worden waren - Tally hatte erwartet, noch in der Luft abgefangen zu werden, statt mit hohem Tempo auf den Fluss zu knallen. Aber als sie sich die Sache überlegte, wurde ihr klar, was passiert war. Der Fluss war tiefer, als sie vermutet hatte, die Mineralien auf seinem Grund lagen weit weg unter ihren strampelnden Füßen. Ihr fiel ein, dass Hubbretter manchmal über der Mitte des Stadtflusses ins Wackeln gerieten, wenn sie zu weit von den Mineralablagerungen entfernt waren, um die Hubvorrichtungen mit voller Stärke arbeiten zu lassen.
Sie hatte Glück gehabt, dass das Brett ihren Fall überhaupt verlangsamt hatte.
Tally schaute sich wieder um. Vermutlich war das Huhbrett auf den Boden gesunken, da es zu schwer war, um auf dem Wasser zu schwimmen, und die wütende Strömung trieb sie von ihm fort. Sie vergrößerte die Rufweite ihrer Auffangarmbänder auf einen Kilometer und wartete darauf, dass das Brett seine Nase über die Wasseroberfläche schob.
Seltsame Gegenstände tanzten im Wasser um sie herum auf und ab, uneben und knorrig, wie eine Flottille aus Alligatoren in der reißenden Strömung. Was mochte das sein?
Etwas stieß sie an ...
Sie fuhr herum, aber es war nur ein alter Baumstamm - kein Alligator und auch nicht ihr Hubbrett. Tally klammerte sich dennoch,dankbar daran an, sie war von ihren Schwimmversuchen schon erschöpft. Überall um sie herum sah sie jetzt Bäume, dazu Äste, Schilfbüschel und jede Menge verfaulender Blätter. Der Fluss führte alles Mögliche an Treibgut mit sich.
Der Regen, dachte Tally. Drei Tage ununterbrochener Regengüsse mussten die Hügel überflutet und alles Mögliche in den Fluss gespült haben; sie hatten den Pegel ansteigen und die Strömung stärker werden lassen. Der Baum, an den sie sich klammerte, war alt und schwärzlich angefault, aber aus einem Spalt lugten einige
Weitere Kostenlose Bücher