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Pretty - Erkenne dein Gesicht

Pretty - Erkenne dein Gesicht

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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einem Ort mit so wenig Privatsphäre überhaupt vorstellbar war. "Ich bin aufgewacht, als du uns verlassen hast, Jung-Blut. Ich dachte, vielleicht könnte ich sehen, wie du…"
    Sie hob eine Augenbraue. "Wie ich was?"
    "Fliegst", sagte er verlegen.
    Tally musste lachen. Letzte Nacht hatte sie versucht Andrew Simpson Smith das Prinzip des Hubbrettes zu erklären, aber sosehr sie sich auch bemühte, er hatte es einfach nicht erfassen können. Sie hatte ihm gesagt, dass jüngere Gottheiten nicht oft Hubwagen benutzten, aber die Vorstellung von verschiedenen Arten von Fluggeräten war zu hoch für ihn.
    Ihre Belustigung schien ihn zu verletzen. Vielleicht glaubte er, Tally verberge ihre magischen Kräfte, nur um ihm eins auszuwischen.
    "Tut mir leid, Andrew, Aber wie ich schon letzte Nacht erklärt habe, ich kann nicht fliegen."
    "Aber in deiner Geschichte hast du gesagt, dass du zu deinen Freunden unterwegs warst."
    "Stimmt. Aber ich habe auch gesagt, dass mein Brett zerstört ist. Und im Fluss liegt. Ich fürchte, ich werde also zu Fuß gehen müssen."
    Er wirkte für einen Moment verwirrt, vielleicht war er überrascht darüber, dass göttliche Hilfsmittel zerbrechen konnten. Dann strahlte er plötzlich und zeigte eine Zahnlücke, die ihn wie einen Winzling aussehen ließ. "Dann werde ich dir helfen. Wir gehen zusammen hin."
    "Ach, wirklich?"
    Er nickte. "Die Smiths sind heilige Männer. Ich bin ein Diener der Gottheiten, wie vorher mein Vater."
    Seine Stimme wurde bei den letzten Worten flach. Tally staunte wieder darüber, wie leicht es war, Andrews Gesicht zu lesen. Alle Empfindungen der Leute hier im Dorf schienen dicht unter der Oberfläche zu liegen, als hätten sie in ihren Gedanken nicht mehr Privatsphäre als in ihren Schlafquartieren. Sie hätte gern gewusst, ob sie einander jemals belogen.
    Aber natürlich waren sie irgendwann von irgendwelchen Pretties belogen worden. Reizende Gottheiten, wirklich.
    "Wann ist dein Vater gestorben, Andrew? Das ist noch nicht lange her, oder?"
    Er schaute sie überrascht an, als ob sie durch Zauberwerk seine Gedanken gelesen hätte. "Das ist erst einen Monat her, es war gleich vor der längsten Nacht."
    Tally wusste nicht, was die längste Nacht war, wollte ihn aber nicht unterbrechen.
    "Wir suchten nach Ruinen. Die älteren Gottheiten freuen sich, wenn wir Ruinen und Rusty-Orte für sie finden, zum Forschen. Und dabei sind wir auf Eindringlinge gestoßen."
    "Eindringlinge? Wie die, mit denen ihr mich verwechselt habt?"
    "Ja. Aber das waren keine jungen Götter. Sondern Plünderer, die töten wollten. Wir hatten sie zuerst gesehen, aber ihre Hunde hatten unsere Witterung aufgenommen. Und mein Vater war alt. Vierzig Jahre hatte er schon gelebt", sagte er stolz.
    Tally stieß langsam ihren Atem aus. Ihre acht Urgroßeltern lebten allesamt noch und befanden sich im zehnten Jahrdutzend.
    "Seine Knochen waren schwach geworden." Andrews Stimme wurde jetzt fast zu einem Flüstern. "Und als er durch einen Bach lief, hat er sich den Knöchel verrenkt. Ich musste ihn zurücklassen."
    Tally schluckte und ihr wurde schwindlig bei der Vorstellung, jemand an einem verrenkten Knöchel sterben könnte.
    "Ach. Das tut mir leid."
    "Er gab mir sein Messer, ehe ich ihn verließ." Andrew zog es aus seinem Gürtel und Tally konnte es sich genauer ansehen als in der Nacht. Es war ein Küchenmesser mit einer abgenutzten, schartigen Schneide. "Und jetzt bin ich der heilige Mann."
    Sie nickte langsam. Der Anblick des billigen Messers erinnerte Tally daran, wie ihre erste Begegnung mit diesen Menschen um ein Haar geendet hätte. Fast hätte sie dasselbe Schicksal erlitten wie Andrews Vater. "Aber warum?"
    "Warum, Jung-Blut? Weil ich sein Sohn bin."
    "Nein, nicht das", sagte sie. "Warum wollten die Eindringlinge deinen Vater umbringen? Oder überhaupt irgendwen?" Andrew runzelte die Stirn, als sei das eine merkwürdige Frage. "Sie waren an der Reihe."
    "Sie waren was?"
    Er zuckte mit den Schultern. "Wir hatten im Sommer getötet. Also war die Rache bei ihnen."
    "Ihr hattet ... einen von ihnen getötet?"
    "Unsere Rache, für einen Tod am Anfang des Frühlings." Er lächelte kalt. "Bei diesem Überfall war ich dabei."
    "Das ist also so eine Art Vergeltungsschlag? Aber wann hat das alles angefangen?"
    Er starrte die Messerklinge an, als ob er im trüben Metall etwas lesen wollte. "Das war immer schon so. Das sind Eindringlinge." Er lächelte. "Ich war froh, a|s ich sah, dass sie dich nach Hause gebracht

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