Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
»Warum hat Mom dich dazu gedrängt, Ian als Schuldigen darzustellen?«
Achselzuckend griff Melissa nach ihrer Handtasche, die auf dem Rücksitz lag. »Vielleicht hatte sie gespürt, dass mit meiner Geschichte etwas nicht stimmte, und wollte die Wahrheit wissen. Oder vielleicht …« Sie wirkte plötzlich unsicher.
»Vielleicht … was?«, drängte Spencer.
Melissa drückte mit dem Daumen auf das Mercedes-Symbol
in der Mitte ihres Lenkrads. »Wer weiß? Vielleicht fühlte sie sich schuldig, weil sie nie Alisons größter Fan war.«
Spencer kniff die Augen zusammen. Sie kapierte überhaupt nichts mehr. Soweit sie wusste, hatte ihre Mom Ali genauso gerne gemocht wie Spencers andere Freundinnen. Wenn jemand Ali nicht hatte ausstehen können, dann war das Melissa. Ali hatte ihr Ian gestohlen.
Melissa schenkte Spencer ein knappes Lächeln. »Ich weiß gar nicht, warum ich das jetzt alles auf den Tisch gebracht habe«, sagte sie lässig und klopfte Spencer auf die Schulter. Dann stieg sie aus dem Auto.
Spencer sah Melissa nach, die sich an den Elektrowerkzeugen ihres Dads vorbei ins Haus manövrierte. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein geplatzter Koffer, ihre Gedanken wie auf dem Boden verstreute Kleider. Was ihre Schwester gerade gesagt hatte, war total irre. Melissa hatte falsch gelegen, was Spencers Adoption betraf, und sie täuschte sich auch jetzt. Das war offensichtlich.
Die Innenraumbeleuchtung des Mercedes schaltete sich aus.
Spencer schnallte sich ab und kletterte aus dem Auto. In der Garage roch es durchdringend nach Motoröl und Rauch von dem Feuer. Im Seitenspiegel des Mercedes sah sie einen dunklen Haarschopf auf der anderen Straßenseite. Sie hatte das Gefühl, als bohre sich ein scharfer Blick in ihren Rücken. Doch als sie sich umdrehte, war alles leer.
Sie griff nach ihrem Handy und wollte Emily, Hanna oder Aria anrufen, um ihnen zu erzählen, was Melissa gerade über Ian gesagt hatte. Da fiel ihr auf, dass sie eine SMS bekommen hatte.
Sie drückte auf Lesen und ihr Magen verkrampfte sich.
Alle meine Hinweise waren
korrekt, Little Liar – du hast sie
nur nicht richtig verstanden.
Aber weil ich so ein netter
Mensch bin, hier noch ein weite-
rer Hinweis: Direkt vor deiner
Nase findet eine riesige
Vertuschungsaktion statt …
und jemand, der dir nahesteht,
weiß alle Antworten.
– A.
Kapitel 8
HANNA, DURCHGEKNALLT
Am Dienstagmorgen fuhr Hannas Vater in aller Herrgottsfrühe eine enge, von Bäumen gesäumte Straße irgendwo bei Hintertupfingen, Delaware entlang. Isabel, die auf dem Beifahrersitz saß, beugte sich plötzlich vor. »Da ist es!«
Mr Marin riss das Steuer herum und bog auf eine kleine Straße ab. Sie fuhren die schmale, asphaltierte Straße ein paar Hundert Meter entlang und hielten vor einem Sicherheitstor an. Auf dem Schild an den Gitterstäben stand Sanatorium Addison-Stevens.
Hanna saß zusammengesunken auf dem Rücksitz. Mike, der neben ihr saß, drückte ihre Hand. Sie fuhren schon seit einer halben Stunde ziellos umher, weil nicht einmal das Navi wusste, wo sie waren – die Stimme blökte immer nur: »Neuberechnung der Route!«, ohne aber zu berechnen, wohin sie fahren mussten.
Hanna hatte aus ganzem Herzen gehofft, dass es diese Einrichtung gar nicht gab. Sie wollte nur nach Hause, sich an Dot kuscheln und diesen bereits jetzt so entsetzlichen Tag vergessen. Doch sie hatten das Gebäude gefunden und standen nun vor dem Eingang.
»Hanna Marin checkt ein«, sagte Hannas Vater zu einem in Kaki gekleideten Mann im Wärterhäuschen. Der Sicherheitsbeamte konsultierte sein Klemmbrett und nickte dann. Das Tor hinter ihm öffnete sich langsam.
Die letzten vierundzwanzig Stunden waren wie im Flug vergangen. Alle rannten herum und trafen Entscheidungen über Hannas Leben, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen, als sei sie ein hilfloses Baby oder ein schlecht erzogenes Haustier. Nach ihrer Panikattacke gestern beim Frühstück hatte Mr Marin sofort in der Klinik angerufen, die Hannas Meinung nach A. empfohlen hatte. Und siehe da, das Sanatorium Addison-Stevens konnte Hanna bereits am folgenden Tag aufnehmen. Dann rief Mr Marin in der Rosewood Day an und sagte Hannas Vertrauenslehrer, sie werde zwei Wochen Schule verpassen, und falls jemand Fragen stelle, sei sie bei ihrer Mutter in Singapur. Als Nächstes rief er Officer Wilden an und sagte ihm, falls die Presse in der Klinik auftauchen würde, werde er den gesamten Polizeistab von Rosewood verklagen. Und schließlich tat er
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