Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
Glich deshalb Melissa ihrer Mutter wie ein Ei dem anderen, und Spencer überhaupt nicht?
Sie hatte Andrew von ihrem Verdacht erzählt, und er hatte sie auf einen Webservice hingewiesen, der adoptierte Kinder mit ihren leiblichen Müttern in Kontakt brachte. Eine Freundin von ihm hatte den Dienst erfolgreich ausprobiert. Neugierig hatte Spencer ihre persönlichen Daten eingegeben – ihr Geburtsdatum, das Krankenhaus, in dem sie zur Welt gekommen war, ihre Augenfarbe und andere genetische Merkmale. Als der Service ihr am Samstag eine E-Mail schickte und verkündete, man habe für ihre Daten eine potenzielle leibliche Mutter gefunden, wusste sie zuerst nicht, was sie davon halten sollte. Das musste ein Fehler sein. Wenn sie die Frau kontaktierten, würde die sicherlich sofort angeben, dass Spencer unmöglich ihre Tochter sein konnte.
Mit zitternden Händen öffnete Spencer die E-Mail.
Hallo Spencer, mein Name ist Olivia Caldwell. Ich freue mich sehr, weil ich glaube, dass unsere Daten übereinstimmen. Wenn du möchtest, würde ich dich gerne kennenlernen. Herzliche Grüße, O. Spencer schlug die Hände vor den Mund und starrte lange auf die Mail. Olivia Caldwell. War dies der Name ihrer leiblichen Mutter? Andrew stupste sie in die Seite. »Willst du antworten?«
»Ich weiß nicht«, murmelte Spencer unsicher und zuckte zusammen, als draußen die Sirene eines Streifenwagens angeschaltet
wurde. Sie starrte so intensiv auf das Display ihres Sidekicks, dass die Buchstaben vor ihren Augen verschwammen. »Es ist echt schwer zu glauben, dass das alles real sein soll. Wie konnten meine Eltern das nur vor mir geheim halten? Bedeutet das, dass mein ganzes bisheriges Leben … eine Lüge war.« Seit einiger Zeit musste sie wieder und wieder entdecken, dass ein großer Teil ihres Lebens – besonders alles, was mit Ali zusammenhing – ein Lügengebäude war. Sie wusste nicht, ob sie noch mehr verkraften konnte.
»Wir sollten versuchen, Beweise zu finden.« Andrew stand auf und reichte ihr die Hand. »Vielleicht existieren in diesem Haus Dokumente, die alle Zweifel ausräumen können.«
Spencer dachte einen Moment lang nach. »Na gut«, räumte sie zögernd ein. Es war wahrscheinlich eine günstige Zeit, um herumzuschnüffeln. Ihre Eltern und ihre Schwester würden erst in ein paar Stunden wieder nach Hause kommen.
Sie umklammerte Andrews Hand und führte ihn ins Arbeitszimmer ihres Vaters. Hier roch es nach Cognac und Zigarren – ihr Vater war Anwalt und beriet manchmal Klienten bei ihnen zu Hause –, und als sie das Licht anschaltete, leuchteten die gedimmten Lampen über dem Warhol-Druck ihres Vaters, einer Banane, auf.
Sie ließ sich in den Stressless-Sessel hinter dem Tigerahorn-Schreibtisch ihres Vaters sinken und betrachtete den Monitor. Als Bildschirmschoner hatte er eine Diashow von Familienfotos gewählt. Zuerst ein Foto von Melissa bei ihrer Abschlussfeier an der Universität von Pennsylvania. Die Quaste der Kappe hing ihr in die Augen. Es folgte ein Foto von Melissa auf der Türschwelle des brandneuen Stadthauses in Philadelphia, das ihre Eltern ihr gekauft hatten, als sie in die Wharton Business
School aufgenommen wurde. Dann erschien ein Foto von Spencer auf dem Schirm. Es war ein Schnappschuss von ihr, Ali und den anderen in einem riesigen Autoschlauch mitten in einem See. Alis Bruder Jason schwamm neben ihnen, sein langes Haar war tropfnass. Dieses Foto war im Ferienhaus der Familie DiLaurentis in den Poconos entstanden. Alle sahen sehr jung aus, also musste es in den ersten Ferien aufgenommen worden sein, die sie dort verbracht hatten. Ali hatte sie ein paar Wochen nach Beginn ihrer Freundschaft dorthin eingeladen.
Spencer lehnte sich zurück. Es erstaunte sie, dass sie überhaupt in dieser Zusammenstellung auftauchte. Nachdem Spencer zugegeben hatte, dass der Aufsatz, mit dem sie für die Goldene Orchidee nominiert war, nicht von ihr stammte, hatten ihre Eltern sie quasi enterbt. Und es war merkwürdig, ein so altes Foto von Ali zu sehen. Zwischen Ali, Spencer und den anderen war zu diesem Zeitpunkt noch alles im Reinen gewesen. Jenna war noch nicht erblindet, Spencer und die anderen hatten noch keine Geheimnisse vor Ali, und Ali hatte auch noch keine Geheimnisse vor ihnen. Ach wäre doch alles immer so weitergegangen.
Spencer schauderte und versuchte ihre düsteren Vorahnungen abzuschütteln. »Mein Dad hat früher alles in Aktenschränken aufbewahrt«, erklärte sie und bewegte die Maus, um den
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