Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
wimmelte es von Leuten. Sie nahmen ein Taxi ins West Village, wo Olivia gerade hingezogen war, und gingen zu Diane von Fürstenberg, einem Lieblingsladen von Olivia – und Spencer. Während sie die Kollektion begutachteten, erfuhr Spencer, dass Olivia Art-Directorin bei einer neuen Zeitschrift über das New Yorker Nachtleben war. Sie war eine waschechte New Yorkerin und hatte an der NYU studiert.
»Ich werde mich an der NYU bewerben«, zwitscherte Spencer. Zugegebenermaßen war das ihre Ausweich-Uni – zumindest
als sie noch Klassenbeste gewesen war. Aber das musste sie ja jetzt nicht sagen.
»Ich fand es toll dort«, schwärmte Olivia. Dann seufzte sie vor Entzücken und zog ein salbeigrünes Pulloverkleid von der Stange. Spencer lachte. Sie hatte sich gerade dasselbe ausgesucht. Olivia wurde rot. »Ich kaufe mir sehr oft grüne Sachen«, murmelte sie.
»Weil sie zu unseren Augen passen«, beendete Spencer den Satz.
»Genau.« Olivia sah Spencer dankbar an. Ihre Miene schien zu sagen: Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe.
Nach dem Einkaufsbummel schlenderten sie die Fifth Avenue entlang. Olivia erzählte Spencer, dass sie vor Kurzem einen reichen Mann namens Morgan Frick geheiratet hatte. Es war eine intime Zeremonie in den Hamptons gewesen. »Wir treten heute Abend unsere Flitterwochen nach Paris an«, sagte sie. »Ich muss später mit dem Hubschrauber zu seinem Jet fliegen. Der steht auf einem Privatflughafen in Connecticut.«
»Heute Abend?«, fragte Spencer überrascht. »Wo ist denn dein Gepäck?«
»Morgans Fahrer bringt es zum Flughafen«, erklärte Olivia.
Spencer nickte beeindruckt. Morgan musste ganz schön Kohle haben, wenn er einen Chauffeur und einen Privatjet sein eigen nannte.
»Deshalb war es mir so wichtig, dass wir uns heute noch treffen«, fuhr Olivia fort. »Ich bin zwei Wochen lang weg, und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass wir uns erst kennenlernen, wenn ich wieder zurück bin.«
Spencer nickte. Sie hätte die Spannung sicher auch keine weiteren zwei Wochen ausgehalten.
Die Aktenmappe unter Olivias Arm begann zu rutschen und sie schob ihre Hüfte nach außen, um zu verhindern, dass der Inhalt auf den Gehweg fiel.
»Soll ich die für dich tragen?«, fragte Spencer. Die Mappe würde problemlos in Spencers Riesentasche passen.
»Das wäre super.« Olivia reichte ihr dankbar die Mappe. »Danke. Das Ding bringt mich zum Wahnsinn. Morgan wollte, dass ich ihm die Infos über unsere neue Wohnung mitbringe, damit wir sie im Urlaub gemeinsam durchgehen können. «
Sie bogen in eine Seitenstraße ein und gingen an einer Reihe schöner Backsteinhäuser vorbei. Die Wohnzimmer-Ebenen waren golden erleuchtet, und Spencer wechselte einen kurzen Blick mit einer großen, gemusterten Katze, die gemütlich in einem Erkerfenster lag. Olivia und sie schwiegen, man hörte nur ihre Absätze auf dem Gehweg klappern. Konversationslücken waren Spencer immer unangenehm – sie hatte Angst, das verlegene Schweigen sei irgendwie ihr Fehler –, also begann sie hektisch ihre Leistungen herunterzubeten. Sie hatte in dieser Hockeysaison zwölf Tore erzielt. Sie hatte seit der siebten Klasse in jedem Schultheaterstück die Hauptrolle gespielt. »Und ich habe in fast allen Fächern eine Eins«, gab sie an, erkannte aber ihren Fehler sofort. Sie zuckte zusammen und wappnete sich. Olivia würde sicher genauso reagieren wie ihre Mom. »Fast allen Fächern?«, hörte sie Mrs Hastings fast höhnen. »In welchem Fach hast du denn keine Eins? Und warum hast du nur Einsen? Warum steht vor denen kein Plus?« Und dann fühlte sich Spencer für den Rest des Tages beschissen.
Aber Olivia machte das nicht. Sie schwieg einfach. Vielleicht wäre aus Spencer ein anderer Mensch geworden, wenn Olivia
sie nicht weggegeben hätte. Vielleicht wäre sie nicht so panisch besorgt um ihre Noten. Vielleicht wäre ihr Minderwertigkeitskomplex nicht so ausgeprägt und sie müsste anderen nicht ständig verzweifelt beweisen, dass sie gut genug, würdig genug, liebenswert genug war. Sie hätte Ali nie getroffen. Der Mord an ihr wäre nur eine weitere Zeitungsmeldung.
»Warum hast du mich zur Adoption freigegeben?«, platzte Spencer heraus.
Olivia blieb am Fußgängerübergang stehen und betrachtete nachdenklich die hohen Gebäude auf der anderen Straßenseite. »Nun, ich war achtzehn, als ich dich bekommen habe. Viel zu jung für ein Baby – ich hatte gerade mein Studium begonnen. Ich habe mich lange gefragt, ob ich
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