Pretty Little Liars - Teuflisch: Band 5
nichts als Dunkelheit.
Holy Trinity gehörte zu den ältesten Kirchen von Rosewood. Das Gebäude war aus uralten Ziegeln erbaut und auf dem kleinen Friedhof hinter der Kirche standen die Grabsteine so kreuz und quer durcheinander wie schiefe Zähne in einem Gebiss. In der siebten Klasse hatte Ali ihr und den anderen eine Geschichte von einem Mädchen erzählt, die durch die Träume ihrer jüngeren Schwester geisterte. Sie hatte die Freundinnen dazu herausgefordert, sich um Mitternacht auf diesen Friedhof zu schleichen und zwanzig Mal hintereinander den Satz »Die Knochen meiner Schwester« zu sagen, ohne zu schreien oder wegzurennen. Nur Hanna, die auch nackt über den Schulhof der Rosewood Day gerannt wäre, um Ali zu beweisen, wie cool sie war, hatte die Mutprobe bestanden.
In der Kirche roch es genauso wie früher, nämlich nach einer seltsamen Mischung aus Moder, Schweinebraten und Katzenpisse. Schöne, aber beängstigende Bleiglasfenster, die biblische Geschichten erzählten, säumten die Wände und die Decke.
Emily fragte sich, ob Gott, wer er oder sie auch sein mochte, jetzt entsetzt auf sie herabschaute, weil Emily an einem so heiligen Ort auftauchte. Sie hoffte, er würde Rosewood dafür keine Heuschreckenplage schicken. Mrs Fields winkte Pater Tyson zu, dem gütigen, weißhaarigen Priester, der Emily getauft hatte, ihr die Zehn Gebote beigebracht und sie zu einem Herr-der-Ringe -Fan gemacht hatte. Dann holte sie an der Bar neben einer großen Marienstatue zwei Tassen Kaffee und führte Emily zur Bühne.
Nachdem sie sich hinter einen großen Mann und seine beiden kleinen Kinder gestellt hatten, warf Mrs Fields einen Blick ins Programm. »Jetzt spielt eine Band namens Carpe Diem. Toll! Die Bandmitglieder sind in der elften Klasse der Holy Trinity Academy.«
Emily stöhnte. In den Ferien zwischen der vierten und fünften Klasse hatten ihre Eltern sie in ein Bibel-Sommerlager geschickt, Camp Long Pines. Jeffrey Kane, ein Betreuer, hatte eine Band, die am letzten Abend des Lagers spielte. Sie coverten Creed-Songs, und Jeffrey zog die ganze Zeit total merkwürdige Gesichter. Seine Züge waren verzerrt, als erlebe er gerade eine göttliche Erweckung nach der anderen. Emily konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie eine katholische Schulband namens Carpe Diem klingen würde.
Verzerrte Akkorde füllten den Raum. Ein großer Verstärker versperrte ihnen den Blick auf die Bühne, also sah Emily nur den zottelhaarigen Typen am Schlagzeug. Während des Intros klangen Carpe Diem eher nach Emo als nach Creed. Und als der Sänger die erste Strophe anstimmte, registrierte Emily überrascht, dass seine Stimme … gut klang.
Sie drückte sich an dem Mann mit den Kindern vorbei, um
einen besseren Blick auf die Band zu bekommen. Ein schlaksiger Typ stand am Mikrofon, eine honigfarbene Akustikgitarre vor der Brust. Er trug ein ausgeleiertes haferflockenfarbenes T-Shirt, schwarze Jeans und die gleichen bordeauxroten Vans, die auch Emily trug. Das war eine nette Überraschung – sie hatte einen Jeffrey-Kane-Klon erwartet.
Ein Mädchen neben Emily begann, den Text mitzusingen. Emily hörte genauer hin und merkte sofort, dass die Band »Nobody’s Home«, ihren Lieblingssong von Avril Lavigne, coverte. Sie hatte das Stück während des Flugs nach Iowa immer wieder gehört und sich gefühlt, als sei sie jenes verwirrte, leere Mädchen, über das Avril da sang.
Als die Band den Song beendet hatte, trat der Sänger einen Schritt vom Mikroständer zurück und schaute in die Menge. Seine klaren, hellblauen Augen blickten direkt zu Emily, und er lächelte. Ein elektrischer Schlag durchzuckte sie von Kopf bis Fuß. Es war, als enthielte ihr Kaffee zehnmal mehr Koffein als sonst.
Emily schaute sich unauffällig um. Ihre Mutter war zurück zum Kaffeestand gewandert und unterhielt sich dort mit ihren Chor-Freundinnen Mrs Jamison und Mrs Hart. Ein paar ältere Damen saßen so steif in ihren Bänken als sei dies ein Gottesdienst. Sie starrten verwirrt auf die Bühne. Pater Tyson stand bei den Beichtstühlen und bog sich vor Lachen über die Bemerkung eines älteren Mannes. Erstaunlicherweise hatte niemand mitbekommen, was Emily gerade passiert war. Sie hatte erst zwei Mal in ihrem Leben so einen Blitzschlag verspürt. Das erste Mal, als sie Ali in der siebten Klasse in ihrem Baumhaus geküsst hatte. Und das zweite Mal im letzten Herbst, als sie Maya in Noel Kahns Fotoautomat geküsst hatte. Aber
wahrscheinlich war dies nur eine
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