Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
zu Spencers Füßen nieder. »Sie klingt ziemlich eifersüchtig und unsicher«, sagte sie. »So war Ali mir gegenüber auch. Sie wollte immer im Rampenlicht stehen und hat es gehasst, wenn ich etwas besser konnte
als sie. Ich weiß, dass sie auch mit dir ziemlich heftig konkurriert hat.«
Das war untertrieben. Sie und Ali hatten aus allem einen Wettstreit gemacht: Wer radelte schneller zum Supermarkt? Wer hatte die meisten älteren Jungs geküsst? Wer schaffte es in der siebten Klasse in die Hockey-Auswahlmannschaft? Oft hatte sie gar nicht mit Ali konkurrieren wollen, aber Ali hatte immer darauf bestanden. Weil sie gewusst hatte, dass sie ihre Schwester war? Hatte sie sich gegen sie behaupten wollen?
Salzige Tränen rollten Spencers Wangen hinab und sie schluchzte heftig. Warum weinte sie eigentlich? Vielleicht wegen all der Lügen, all dem Schmerz und all der sinnlosen Morde?
Courtney zog sie an sich und hielt sie ganz fest. Sie roch nach Zimtkaugummi und Vanilleshampoo.
»Ist doch egal, was unsere Schwestern dachten, oder?«, murmelte sie. »Das ist alles Schnee von gestern. Jetzt haben wir ja uns.«
»Hm«, schniefte Spencer. Sie schluchzte immer noch.
Courtney löste sich von ihr und strahlte plötzlich. »Hey. Sollen wir morgen Abend tanzen gehen?«
»Tanzen?« Spencer wischte sich die geschwollenen Augen trocken. Übermorgen hatten sie Schule. Ende der Woche drohte die Wirtschaftskunde-Klausur. Sie hatte Andrew seit Tagen nicht gesehen und immer noch kein Kleid für den Valentinsball. »Ich weiß nicht …«
Courtney packte ihre Hände. »Ach, komm schon. Das ist unsere Chance, uns von unseren bösen Schwestern zu befreien!
Wie in diesem ›Survivor‹-Song!« Dann lehnte sie sich zurück und brach in den alten Hit von Destiny’s Child aus. » I’m a survivor! «, sang sie, schwenkte die Hände über dem Kopf, streckte den Hintern raus und wirbelte herum. »Komm schon, Spencer! Geh mit mir tanzen!«
Trotz ihrer Trauer und Verwirrung musste Spencer lachen. Vielleicht hatte Courtney ja recht und ein entspannter Abend mit Musik und Spaß war genau das, was sie als Gegengewicht zu dem ganzen Chaos brauchte. Genau das hatte sie sich ja schließlich gewünscht – eine Schwester, der sie sich anvertrauen konnte. Eine Schwester, auf die sie sich verlassen und mit der sie Spaß haben konnte. Und Courtney schien genau dasselbe zu wollen.
»Okay«, sagte Spencer. Und dann atmete sie tief aus, stand auf und sang mit ihrer Schwester.
Kapitel 10
DAS TICKET ZUM GLÜCK
Ein paar Stunden später lenkte Hanna ihren Prius die gewundene Auffahrt entlang und hielt vor ihrem Haus. Sie schaltete den Motor aus und griff sich die zwei Einkaufstüten von Otter vom Beifahrersitz. Sie hatte nach der Schule einen Notfall-Selbstmitleids-Shopping-Trip eingeschoben, aber es machte nicht viel Spaß, ohne eine Freundin oder Mike einzukaufen. Außerdem traute sie ihrem eigenen Urteil nicht mehr und war sich nicht sicher, ob die ultraenge Gucci-Lederhose, die sie gekauft hatte, nun discoschick oder einfach nur nuttig aussah. Sasha, Hannas Lieblingsverkäuferin bei Otter, hatte gesagt, sie sehe fantastisch darin aus … aber sie bekam ja auch Kommission für den Verkauf.
Draußen war es stockdunkel und eine dünne Frostschicht bedeckte den Vorgarten. Sie hörte ein leises Kichern und ihr Herz begann zu hämmern. Hanna blieb in der Auffahrt stehen. »Hallo?«, rief sie. Das Wort schien vor ihrem Mund zu Eis zu gefrieren und auf dem Boden in tausend Stücke zu zersplittern. Hanna schaute sich nach allen Seiten um, aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen.
Sie hörte wieder ein Kichern, dann lachte jemand aus voller Kehle. Hanna atmete erleichtert auf. Das kam von drinnen. Sie schlich zur Haustür, schloss leise auf und schlüpfte
in den Flur. Neben der Tür standen drei Paar Stiefel. Die smaragdfarbenen Loeffler Randalls gehörten Riley – sie stand auf Grün. Hanna hatte selbst gesehen, wie Naomi sich die hochhackigen Stiefelchen gekauft hatte, die danebenlagen. Das dritte Paar erkannte sie nicht, aber als sie von oben wieder Gekicher hörte, erkannte sie eine der Mädchenstimmen ganz genau. Hanna hatte schon oft ein identisches Lachen gehört, nicht selten nach einem Witz auf ihre Kosten. Es war Courtney. Und sie war in Hannas Haus.
Hanna schlich sich die Treppe hinauf. Im Flur roch es nach Rum und Kokosnuss. Ein alter Madonna-Remix dröhnte aus Kates Zimmer, dessen Tür verschlossen war. Hanna drückte ihr Ohr an die Tür.
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